Nachhaltigkeit und Umweltschutz beeinflussen das Konsumverhalten spürbar. Unternehmen reagieren darauf, indem sie mit “Klimaneutralität” oder “Umweltneutralität” werben und dies mit selbstkreierten Siegeln untermauern, um ein nachhaltiges Image zu vermitteln. Wird das auch künftig noch möglich sein?
1. Zwischen Nachhaltigkeitsversprechen und Greenwashing: Ein schmaler Grat
Werbeaussagen wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „ökologisch“ werden oft kritisiert, da sie Versprechen machen, die nicht eingehalten werden. Wenn Unternehmen sich umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind, spricht man von Greenwashing. Greenwashing kann durch konkrete Aussagen oder durch subtile Hinweise wie Symbole, Siegel oder Design-Elemente erfolgen, die Umweltverträglichkeit suggerieren. Ob eine Werbung irreführend ist, wird in Deutschland durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt. Im Dezember 2024 hat das Bundesjustizministerium einen Diskussionsentwurf für das Dritte Gesetz zur Änderung des UWG vorgelegt. Mit diesem Gesetz sollen die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2024/825 (kurz: EmpCo-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt werden. Die EmpCo-Richtlinie dient der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen. Die EmpCo-Richtlinie, die Anfang 2024 beschlossen wurde, setzt umfassende Standards, um Greenwashing gezielt zu bekämpfen. Neben ökologischen Werbeaussagen nimmt sie auch sogenannte „Social Claims“ ins Visier, die soziale Verantwortung betonen. Unternehmen müssen künftig zahlreiche Einschränkungen und Nachweispflichten berücksichtigen, um weiterhin mit Nachhaltigkeit werben zu dürfen.
2. Verschärfte Regelungen für umweltbezogene Werbung
Die EmpCo-Richtlinie legt einheitliche Regeln für die gesamte EU fest und macht bestimmte Werbepraktiken direkt unzulässig. Darüber hinaus definiert sie strenge Anforderungen, die Unternehmen erfüllen müssen, um „grüne“ oder „soziale“ Aussagen zu treffen.
2.1 Per-Se-Verbot bestimmter Praktiken
Ein zentrales Element der EmpCo-Richtlinie ist die Erweiterung der „schwarzen Liste“ von verbotenen Geschäftspraktiken (Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG). Einige davon betreffen direkt die gängige Praxis in der Nachhaltigkeitskommunikation:
Einschränkung von Nachhaltigkeitssiegeln: Künftig dürfen nur noch Siegel verwendet werden, die von staatlichen Stellen oder einem Dritten, der ein Zertifizierungssystem für sein Siegel aufgestellt hat, ausgestellt wurden. Eigenständig entwickelte Siegel, die keine nachvollziehbaren Standards erfüllen, sind verboten. Unternehmen müssen Zertifizierungssysteme öffentlich zugänglich machen und unabhängige Prüfverfahren etablieren. Dies erhöht den Aufwand erheblich und könnte zur Folge haben, dass die Nutzung von Nachhaltigkeitssiegeln deutlich zurückgeht.
Verbot allgemeiner Umweltaussagen: Aussagen wie „grün“, „umweltfreundlich“ oder „klimafreundlich“ sind nur noch erlaubt, wenn Unternehmen eine herausragende Umweltleistung nachweisen können. Es reicht nicht, diese Begriffe vage oder unbestimmt zu verwenden. Alle Aussagen müssen klar definiert und überprüfbar sein.
Irreführung durch ungenaue Bezugspunkte: Aussagen, die nur einzelne Aspekte eines Produkts betreffen, dabei aber einen umfassenden Umweltnutzen vorgeben, sind ebenfalls untersagt. Ein Beispiel wäre die Behauptung, ein Produkt sei „aus Recyclingmaterial“, wenn dies nur auf die Verpackung zutrifft.
Werbung mit Klimaneutralität: Besonders einschneidend ist das Verbot von Aussagen, die Klimaneutralität auf Kompensationsmaßnahmen stützen. Unternehmen dürfen nicht mehr mit „klimaneutralen“ Produkten werben, wenn die CO₂-Bilanz nur durch Kompensation ausgeglichen wird, anstatt durch tatsächliche Reduktionen. Diese Regelung spiegelt das Ziel der EU wider, echte Emissionsreduktionen gegenüber Ausgleichsmaßnahmen zu bevorzugen.
2.2 Anforderungen für zulässige Werbeaussagen
Zusätzlich zu den Per-se-Verboten sieht die Richtlinie vor, dass umweltbezogene und sozialbezogene Aussagen strengen Beweispflichten unterliegen:
Transparenz bei sozialen Merkmalen: Neben ökologischen Aspekten dürfen Unternehmen auch soziale Eigenschaften wie faire Arbeitsbedingungen oder Menschenrechte nur bewerben, wenn diese belegbar sind. Begriffe wie „nachhaltig“ oder „bewusst“ müssen in der Werbung umfassend definiert werden.
Angaben zu künftigen Leistungen: Aussagen über geplante ökologische Verbesserungen sind nur noch zulässig, wenn diese auf klar dokumentierten, überprüfbaren Zielen beruhen. Ein unabhängiger Experte muss die Fortschritte regelmäßig kontrollieren.
3. Zeitplan
Die Mitgliedsstaaten der EU sind verpflichtet, die EmpCo-Richtlinie bis März 2026 in nationales Recht umzusetzen. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren wurde in Deutschland bereits angestoßen. Wegen der bevorstehenden Bundestagswahl ist nicht damit zu rechnen, dass die UWG-Änderung kurzfristig verabschiedet wird. Aber bis zum Ende der Umsetzungsfrist ist auch noch etwas Zeit. Unternehmen in Deutschland müssen sich also auf Änderungen im UWG einstellen, die spätestens ab September 2026 in Kraft treten. Die EmpCo-Richtlinie lässt keine Abweichungen zu („Vollharmonisierung“). Damit steht bereits fest, dass „grüne“ Werbung künftig umfassend reguliert wird.
Diese neuen Vorgaben bedeuten für Unternehmen erhebliche Anpassungen für ihr Marketing. Vor allem Nachweispflichten, Transparenzanforderungen und die Einschränkung von Nachhaltigkeitssiegeln erfordern höhere Investitionen in wissenschaftlich fundierte Belege und Dokumentationen. Aussagen wie „klimaneutral“ werden praktisch nur noch in den Ausnahmefällen möglich sein, in denen sie ohne Kompensationsmaßnahmen begründet werden können.
Allerdings bietet die neue Rechtslage auch Chancen: Unternehmen, die glaubwürdig und nachweisbar mit Nachhaltigkeit werben, können sich von der Konkurrenz abheben und das Vertrauen der Verbraucher stärken. Wer die neuen Vorgaben ignoriert, riskiert hingegen rechtliche Konsequenzen. Dazu können Unterlassungsklagen, Schadensersatzforderungen oder Abmahnungen durch Verbraucherverbände oder Wettbewerber gehören. Verbraucher selbst können zudem direkt Schadensersatzansprüche geltend machen
Fazit
Die EmpCo-Richtlinie und die zu erwartenden nationalen Bestimmungen zu deren Umsetzung stellen eine Zäsur in der Regulierung von
Nachhaltigkeitswerbung dar. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Aussagen genauer zu prüfen, transparenter zu belegen und umfassender zu
dokumentieren. Wer diese Anforderungen rechtzeitig umsetzt, kann jedoch auch von den neuen Regelungen profitieren, indem er glaubwürdige Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil nutzt.