Die Vermarktung von Arzneimitteln unterliegt strengen rechtlichen Anforderungen. Angesichts der besonderen Funktion von Medikamenten, Krankheiten zu heilen, zu lindern oder zu verhüten, müssen Fehlvorstellungen bei den Patienten, aber auch bei Ärzten und sonstigen Angehörigen der Heilberufe, vermieden werden.
Der dahinter stehende Aspekt der Arzneimittelsicherheit, genauer: der Anwendungssicherheit, schließt daher eine besondere therapeutische Überlegenheit nahelegende Werbung aus, wenn dies nicht nachweislich zutreffend ist. So ist eine Werbung mit der gerne genutzten Formulierung, es handele sich bei einem Präparat um den „Goldstandard“ bei der Therapie bestimmter Krankheiten unzulässig, wenn dies (nicht mehr) zutrifft.
In diesem Kontext bewegt sich ein aktuelles Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 02. Oktober 2024 (Az. 3 U 21/24). Das Gericht musste sich mit der Frage befassen, ob Werbung für ein Arzneimittel mit der Aussage „Der Goldstandard in der Therapie des HCC“ zulässig ist. Die Antragstellerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, das ein konkurrierendes Medikament vertreibt, beantragte eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin, die diese Aussage in einem Online-Banner auf ihrer Webseite verwendete.
Sachverhalt und rechtliche Einordnung
Die Werbung bezog sich auf das Arzneimittel T. in Kombination mit A., das zuvor in S3-Leitlinien als einzig empfohlene Therapie für hepatozelluläres Karzinom (HCC) genannt war. Nach einer Überarbeitung der Leitlinien im August 2023 wurde jedoch ein weiteres Präparat, IMF. in Kombination mit IMJ., gleichrangig empfohlen. Die Antragsgegnerin hatte gleichwohl weiterhin mit der Alleinstellungsbehauptung „Der Goldstandard“ geworben. Es lagen jedoch keine direkten Studien vor, die eine Überlegenheit von T. + A. gegenüber der neu hinzugekommenen Therapieoption belegen konnten.
Das Gericht bewertete diese Werbung als irreführend gemäß § 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG) und § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Formulierung „Der Goldstandard“ suggeriere eine Alleinstellung, die nach der Aktualisierung der Leitlinien nicht mehr gerechtfertigt sei. Die Angabe einer Fußnote, die auf weitere Informationen verweist, reiche nicht aus, um die Irreführung auszuräumen, da diese nur über mehrere Zwischenschritte zugänglich war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssten Pflichtangaben und erläuternde Hinweise unmittelbar und ohne wesentliche Hürden zugänglich sein.
Entscheidung
Das OLG Hamburg untersagte der Antragsgegnerin die weitere Nutzung der Aussage „Der Goldstandard in der Therapie des HCC“. Die Werbung wurde als unzulässige Alleinstellungsbehauptung gewertet, die gegen die Anforderungen an Transparenz und Wahrheit in der Arzneimittelwerbung verstößt. Auch der Umstand, dass die Therapie mit T. + A. weiterhin am häufigsten eingesetzt wird, rechtfertigte nicht die Bezeichnung als „Goldstandard“, da die Leitlinien nun zwei gleichwertige Therapieoptionen vorsehen.
Empfehlung
Pharmaunternehmen sollten bei vergleichender oder herausstellender Werbung für Arzneimittel besondere Sorgfalt walten lassen, insbesondere wenn sich Leitlinien oder wissenschaftliche Bewertungen ändern. Werbeaussagen sollten stets auf einer aktuellen und wissenschaftlich belegbaren Grundlage beruhen. Verweise auf weitere Informationen müssen ohne wesentliche Hürden zugänglich sein, um den Anforderungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) zu genügen. Es wird empfohlen, solche Werbeaussagen regelmäßig juristisch und fachlich zu überprüfen, um Rechtsstreitigkeiten und zu vermeiden.