Die Health-Claims-Verordnung (HCVO) gilt auch für gesundheitsbezogene Angaben durch Bilder, Symbole und Grafiken
Zum Hintergrund – Wenn Bilder zu Health Claims werden
Gesundheitsbezogene Werbung für Nahrungsergänzungsmittel ist seit Jahren ein Dauerbrenner im Wettbewerbsrecht. Die EU-Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, HCVO) regelt präzise, wann und wie gesundheitsbezogene Angaben zulässig sind. Werbeaussagen, die eine positive Wirkung auf Gesundheit, Wohlbefinden oder Leistungsfähigkeit suggerieren, sind nur erlaubt, wenn sie ausdrücklich zugelassen sind.
Oft versuchen Unternehmen, diese engen Vorgaben zu umgehen, indem „geschickte“ bildliche Darstellungen für gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden– etwa durch sportliche, vitale Figuren oder Symbole, die Energie, Kraft oder Leistungssteigerung vermitteln. Doch genau hier hat das OLG Schleswig nun eine klare Grenze gezogen:
Auch Grafiken, Bilder oder Symbole können gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCVO darstellen – und sind damit denselben rechtlichen Beschränkungen unterworfen wie Textaussagen.
Darum ging es: Werbung mit dem „Feuer des Lebens“ und dem „Phönix aus der Asche“
Ein Anbieter veganer Nahrungsergänzungsmittel bewarb auf seiner Website verschiedene Produkte mit auffälligen grafischen Elementen:
Ein erschöpfter Mensch verwandelte sich in einen dynamischen Läufer, daneben die Überschrift „Wie Phönix aus der Asche“.
Ein anderes Motiv zeigte eine frustrierte Person, der eine glückliche Paar-Szene gegenübergestellt wurde – flankiert von einem roten Herz.
Weitere Abbildungen suggerierten, dass aus „wenig“ plötzlich „viel“ werde.
The Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sah darin unzulässige gesundheitsbezogene Werbung und mahnte das Unternehmen ab. Die Darstellungen vermittelten nach seiner Auffassung den Eindruck, das Produkt könne Kraft, Ausdauer oder sexuelle Leistungsfähigkeit steigern – ohne dass eine entsprechende zugelassene Angabe nach Art. 13 oder 14 HCVO existierte.
Das Unternehmen hielt die Abmahnung für rechtsmissbräuchlich und argumentierte, Bilder seien keine „Angaben“ im Sinne der HCVO. Es kam zum Prozess.
Die Entscheidung des OLG Schleswig
The OLG Schleswig gab dem Verbraucherverband in vollem Umfang recht (Urt. v. 30. 09. 2025 – 6 UKl 2/25). Das Gericht bestätigte:
„Der Begriff der Darstellung in Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO verdeutlicht, dass eine Aussage in Worten oder auch in Bildern gefasst sein kann.“
Damit stellt das Gericht klar: Alle Formen der Darstellung, also auch Fotos, Zeichnungen, Symbole oder Farben, können gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCVO darstellen. Entscheidend ist allein, ob sie beim Verbraucher den Eindruck einer gesundheitlichen Wirkung vermittelt.
Die vom Unternehmen verwendeten Abbildungen seien unspezifische gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 3 HCVO, da sie eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit oder des allgemeinen Wohlbefindens suggerierten. Da diesen Darstellungen keine zugelassene spezielle Angabe beigefügt war, verstoße die Werbung gegen die HCVO.
Auch die Argumente der Beklagten, die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich or verjährt, wies das Gericht zurück. Für Unterlassungsansprüche nach dem UKlaG gelte die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB. Der Kläger habe auch nicht gegen das Verbot von Mehrfachabmahnungen verstoßen.
Das OLG verurteilte die Beklagte daher zur Unterlassung der grafischen Werbung und zur Zahlung von Aufwendungsersatz an den Kläger. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.
Rechtliche Einordnung – Die Health-Claims-Verordnung greift gesundheitsbezogene Angaben umfassend
Die Entscheidung bestätigt eindrucksvoll die weite Auslegung des Begriffs „gesundheitsbezogene Angaben“ nach der HCVO. Danach kann jede Form der Kommunikation, die einen Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit suggeriert, erfasst sein – gleich ob sprachlich oder visuell.
Bereits der BGH hatte in früheren Entscheidungen („Lernstark“, „Rotbäckchen“, „Vitalpilze“) betont, dass auch indirekte Aussagen über Gesundheit oder Leistungsfähigkeit dem Regime der HCVO unterfallen. Das OLG Schleswig knüpft hieran an und dehnt den Anwendungsbereich ausdrücklich auf bildliche Darstellungen aus.
Damit steht fest:
Werbebilder, die „Kraft“, „Energie“ oder „Wohlbefinden“ verkörpern, können als unspezifische Health Claims gelten und sind nur zulässig, wenn sie mit einer zugelassenen spezifischen Angabe kombiniert werden.
Praktische Konsequenzen für Hersteller und Händler
Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für die Werbepraxis der Lebensmittel- und Nahrungsergänzungsmittelbranche. Unternehmen müssen künftig noch stärker darauf achten, dass nicht nur Texte, sondern auch visuelle Gestaltungselemente mit der HCVO-Konformität vereinbar sind.
Wichtige Handlungsempfehlungen:
- Bildsprache prüfen: Auch Illustrationen, Piktogramme oder sportliche Motive können als Health Claims gewertet werden.
- Keine suggerierte Heil- oder Leistungswirkung: Vermeiden Sie jede Darstellung, die Vitalität, Kraft oder Regeneration andeutet.
- Kombination mit zugelassenen Angaben: Allgemeine Aussagen wie „für mehr Energie“ oder „stärkt die Abwehrkräfte“ sind nur zulässig, wenn eine zugelassene Angabe nach Art. 13 oder 14 HCVO beigefügt wird.
- Abmahnschutz durch anwaltliche Prüfung: Vor Veröffentlichung sollte jede Kampagne – ob Text, Bild oder Video – rechtlich geprüft werden.
Fazit und anwaltlicher Rat
Das Urteil des OLG Schleswig verdeutlicht einmal mehr:
Health-Claims-Compliance ist mehr als Textprüfung – sie beginnt beim Design.
Hersteller, Onlinehändler und Agenturen sollten ihre Werbematerialien ganzheitlich prüfen lassen. Grafische Health Claims sind als unzulässige gesundheitsbezogene Angaben ebenso verboten wie unzulässige verbale Versprechen. Verstöße führen zu Abmahnungen, Unterlassungsansprüchen und erheblichen Kostenrisiken.
Unsere auf Competition Law spezialisierte Kanzlei AVANTCORE RECHTSANWÄLTE in Stuttgart unterstützt Sie bei der rechtssicheren Gestaltung von Werbung nach der HCVO, bei der Verteidigung gegen Warnings und bei der Entwicklung compliance-konformer Marketingstrategien.