Femannose ist ein  Funktionsarzneimittel – die pharmakologische Wirkung macht den Unterschied.

Mit seiner Entscheidung „Femannose II“ (BGH, Urt. v. 9.10.2025 – I ZR 4/21) setzt der Bundesgerichtshof den endgültigen Schlusspunkt unter einen der prominentesten Grenzproduktstreitigkeiten der letzten Jahre. Bereits der EuGH hatte im Frühjahr 2025 festgestellt, dass D-Mannose eine pharmakologische Wirkung entfaltet. Über dieses Urteil hatten wir bereits berichtet:

Pharmakologische Wirkung – Arzneimittel oder Medizinprodukt?

Der BGH knüpft daran an und bestätigt nun verbindlich: Das streitgegenständliche Femannose-Produkt ist ein Funktionsarzneimittel, kein Medizinprodukt. 

Der Weg zur Entscheidung war lang: Das LG Köln gab der Klage eines Wettbewerbsverbands statt, das OLG Köln bestätigte dies, die Beklagten zogen in Revision – woraufhin der BGH die berühmte Vorlagefrage („Femannose I“) an den EuGH richtete. Nach der klaren Antwort aus Luxemburg war der Weg nun frei für die nationale Entscheidung. Der BGH weist die Revision vollständig zurück. 

Darum ging es genau: Produktkonzept und Ausgangskonflikt 

BGH Femannose II FunktionsarzneimittelDie Beklagte vertreibt das Präparat Femannose®, ursprünglich eine Kombination aus D-Mannose und Cranberry-Extrakt, zur Behandlung und Prävention von Harnwegsinfekten. Seit 2017 erfolgte der Vertrieb des weiterentwickelten Produkts Femannose® N, das ausschließlich D-Mannose enthält. Beide Produkte wurden als Medizinprodukte in Verkehr gebracht und beworben. 

Der klagende Wettbewerbsverband machte geltend, dass es sich tatsächlich um zulassungspflichtige Arzneimittel handele. Da eine arzneimittelrechtliche Zulassung nicht vorlag, seien sowohl der Vertrieb als auch die Werbung rechtswidrig. 

Der BGH folgt dieser Argumentation vollständig. 

Rechtliche Erwägungen: Warum Femannose ein Funktionsarzneimittel ist 

Pharmakologische Wirkung: Bestätigung der EuGH-Linie 

Der BGH übernimmt die Kernaussage des EuGH nahezu wortgleich: D-Mannose bindet reversibel an bakterielle FimH-Adhäsine und verhindert dadurch deren Anheftung an die menschliche Blasenwand. Diese Blockade stellt eine pharmakologische Wirkung dar. Die Wechselwirkung muss dabei nicht an menschlichen Zellen stattfinden; eine Interaktion mit im Körper vorhandenen Bakterien genügt. 

Unerheblich ist auch, dass die Bindung nur reversibel erfolgt – der BGH folgt ausdrücklich dem vom EuGH vorgegebenen weiten Wirkungsbegriff. 

Gesamtabwägung: Aufmachung, Anwendung und Produktcharakter 

Der BGH führt aus, dass die pharmakologische Wirkung allein noch nicht zwingend zur Einordnung als Arzneimittel führt. Er bestätigt jedoch die sorgfältige Gesamtabwägung des OLG Köln: Femannose wird in einer arzneimitteltypischen Darreichungsform angeboten, mit Beipackzettel, detaillierten Hinweisen zu Dosierung, Anwendung und Nebenwirkungen, und es wird zur Behandlung einer konkreten Erkrankung eingesetzt. Auch die erhebliche Marktverbreitung spiele eine Rolle. 

Diese Gesamtbetrachtung spricht eindeutig für die Einordnung als Funktionsarzneimittel. 

Signifikante Beeinflussung physiologischer Funktionen 

Der BGH bestätigt, dass die pharmakologische Wirkung von D-Mannose zu einer signifikanten Beeinflussung physiologischer Abläufe führt. Denn durch die Blockade des bakteriellen Anheftens wird der Beginn bzw. das Fortschreiten einer Harnwegsentzündung gehemmt. Dass der klinische Nutzen im Einzelnen noch nicht abschließend erforscht ist, ändert daran nichts. 

Fazit und Handlungsempfehlung 

Mit Femannose II liegt nun eine höchstrichterliche Klarstellung vor, die weit über den Einzelfall hinausreicht. Der BGH folgt dem EuGH und setzt eine klare regulatorische Grenze: Sobald ein Produkt pharmakologisch wirkt, kann es nicht länger als Medizinprodukt oder Nahrungsergänzungsmittel eingeordnet werden – selbst wenn der Mechanismus „nur“ auf einer reversiblen Bindung beruht. 

Für Hersteller und Händler bedeutet das eine erhebliche Pflicht zur Vorsicht. Wer Produkte zur Prävention oder Behandlung gesundheitlicher Beschwerden vertreibt, muss den Wirkmechanismus, die Aufmachung, die Werbeaussagen und die produktbegleitenden Informationen konsequent miteinander abstimmen. Die Wettbewerbspraxis zeigt, dass gerade in diesem Bereich häufig Abmahnungen drohen. 

Wenn Sie Grenzprodukte im Portfolio haben oder neue Präparate planen, sollten Sie frühzeitig eine rechtliche Bewertung einholen – sowohl regulatorisch als auch wettbewerbsrechtlich. Unsere Kanzlei AVANTCORE Rechtsanwälte in Stuttgart ist auf Gesundheitsrecht und Wettbewerbsrecht spezialisiert und berät Sie umfassend, bevor Mitbewerber oder Behörden aktiv werden. 

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