Ein Geschäftsmodell zur Vermittlung ärztlicher Behandlungen mit medizinischem Cannabis ist durch das OLG Frankfurt a.M. als wettbewerbswidrig angesehen worden.
Die erweiterten rechtlichen Möglichkeiten, medizinisches Cannabis und Cannabis-Produkte für medizinische Zwecke oder auch schlicht für den individuellen Konsum zu nutzen, eröffnet neue Geschäftsmodelle, die aber nicht immer den regulatorischen Vorgaben entsprechen. Ein solches Geschäftsmodell wurde jetzt vom OLG Frankfurt a.M. als wettbewerbswidrig angesehen.

Mit Urteil vom 6. März 2025 (Az. 6 U 74/24) hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. zentrale Fragen des Wettbewerbsrechts im Zusammenhang mit der Vermarktung medizinischer Cannabis-Therapien durch digitale Plattformanbieter geklärt. Im Fokus stand ein Dienstleistungsunternehmen, das unter anderem Praxisräume und digitale Infrastruktur für Ärzte bereitstellte. Dabei wurde jedoch in mehrfacher Hinsicht gegen gesetzliche Werbe- und Berufsrechtsvorgaben verstoßen.
Das beklagte Unternehmen war nicht selbst medizinischer Leistungserbringer, sondern bot ein Komplettmodell an. Dabei wurden Kooperationsärzte gegen Honorar über die Plattform angebunden. Die Vergütungsstruktur der Kooperationsverträge sah vor, dass das Unternehmen zwischen 60 % und 79 % der ärztlichen Bruttohonorare für sich beanspruchte – differenziert nach Erst- und Folgeterminen (auch per Videosprechstunde). Dabei wurde auch damit geworben, dass ärztliche Erstgespräche „vor Ort oder digital“ stattfinden könnten. Zusätzlich warben die Internetseiten mit Aussagen wie „Naturmedizin vom Marktführer“, „Deine Experten für die natürliche Behandlung“ und „Algea Care Patienten“. Die Werbung richtete sich an medizinische Laien.
Kernaussagen des Urteils:
- Unzulässige Patientenvermittlung: Das Gericht sah in den Vergütungsregelungen der Plattform eine gegen § 31 MBO-Ä verstoßende Zahlung für die Zuweisung von Patienten. Der Anbieter wurde als Teilnehmer eines Berufsrechtsverstoßes der Ärzte eingestuft und zur Unterlassung verurteilt (§§ 8, 3a UWG). Das OLG qualifizierte die Vergütungsstruktur als berufswidriges Vermittlungshonorar. Die Höhe des an das Unternehmen abgeführten Honoraranteils sei nicht mehr durch Serviceleistungen gedeckt, sondern als Entgelt für die Patientenzuweisung zu werten. Das Gericht sah hierin einen klaren Verstoß gegen § 31 MBO-Ä, wonach Ärzten weder selbst noch über Dritte ein Entgelt für die Zuweisung von Patienten gewährt oder versprochen werden darf. Auch wenn die Plattform selbst kein Normadressat des ärztlichen Berufsrechts ist, wurde sie als Teilnehmerin (Anstifterin bzw. Gehilfin) im Sinne von § 830 Abs. 2 BGB zivilrechtlich haftbar gemacht. Das Handeln wurde zugleich als Verstoß gegen § 3a UWG gewertet.
- Verstoß gegen Fernbehandlungs-Werberecht: Die Angabe, das ärztliche Erstgespräch könne „vor Ort oder digital“ stattfinden, wurde als Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Verbot der Werbung für Fernbehandlungen gewertet. Zwar erlaubt § 9 Satz 2 HWG unter bestimmten Voraussetzungen Werbung für Fernbehandlungen – allerdings nur, wenn diese den allgemein anerkannten fachlichen Standards entsprechen. Das Gericht stellte klar: Für medizinisches Cannabis, das (zum damaligen Zeitpunkt) dem Betäubungsmittelrecht unterlag, sei eine persönliche ärztliche Erstuntersuchung zwingend erforderlich. Die werbliche Darstellung suggerierte jedoch eine generelle Zulässigkeit digitaler Erstgespräche, ohne ausreichende Klarstellung – das genügte nach Ansicht des Gerichts nicht.
- Irreführende Werbung und Laienwerbung: Aussagen wie „Naturmedizin vom Marktführer“ oder „Algea Care Patienten“ suggerierten fälschlich, der Plattformanbieter selbst erbringe ärztliche Leistungen. Darin liegt ein Verstoß gegen § 5 UWG. Zudem untersagte das Gericht die Werbung für verschreibungspflichtiges Cannabis außerhalb von Fachkreisen (§ 10 HWG). Die Beklagte warb zwar nicht für ein konkretes Präparat, doch reichte die Gesamtdarstellung – inklusive der Visualisierung von Cannabisblüten und Wirkversprechen – aus, um den Tatbestand der verbotenen Laienwerbung zu erfüllen.
Praxisrelevanz nicht nur für medizinisches Cannabis
Die Entscheidung zeigt exemplarisch, welche rechtlichen Grenzen Plattformanbieter im Gesundheitssektor zu beachten haben. Das gilt insbesondere bei Geschäftsmodellen, die an ärztliche Leistungen „andocken“ und dabei wirtschaftliche Interessen mit medizinischer Außendarstellung verknüpfen. Das Urteil ist nicht nur bei Angeboten für neue Plattformen relevant, die sich auf ein sehr aktuelles Thema wie medizinisches Cannabis fokussieren, sondern auch für traditionellere medizinische Ansätze oder Angebote. Da ein erhebliches Angriffspotential besteht, sollte ein Anwalt von AVANTCORE Rechtsanwälte als Experte frühzeitig in die Planung eines solchen Geschäftsmodells eingebunden werden.