Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 7. November 2024 (Az. 6 U 90/24) entschieden, dass das Angebot eines nicht zugelassenen Unternehmens, im Internet negative Bewertungen löschen zu lassen, eine unzulässige Rechtsdienstleistung darstellt. Auch wenn das Unternehmen lediglich standardisierte Schreiben an Bewertungsportale verschickt, erweckt es nach Auffassung des Gerichts objektiv den Eindruck einer rechtlichen Einzelfallprüfung und überschreitet damit die Grenzen zulässiger Tätigkeit.

Der Fall: Reputationsmanagement als rechtliche Gratwanderung

Immer mehr Unternehmen bieten sogenannte „Reputationsmaßnahmen“ an, meist mit dem Versprechen, bei Google, Kununu & Co. unliebsame oder angeblich falsche Bewertungen  löschen zu lassen. In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall hatte eine nicht als Rechtsdienstleisterin zugelassene Gesellschaft auf ihrer Website damit geworben, „negative Bewertungen löschen zu lassen“. Sie versprach eine Löschungsquote von bis zu 90 %, über 100.000 bereits entfernte Bewertungen und eine Abrechnung nur im Erfolgsfall.

 

Werbung negative Bewertungen löschen lassen war noch nie so einfach
Abbildung der streitgegenständlichen Darstellung/Aussagen

Ein Mitbewerber – ein zugelassener Rechtsanwalt, der selbst im Bereich des Online-Reputationsrechts tätig ist und für Mandanten negative Bewertungen löschen lässt – sah darin eine unzulässige Rechtsdienstleistung und mahnte die Anbieterin ab. Diese weigerte sich, eine Unterlassungserklärung abzugeben, und klagte auf Feststellung, dass die Abmahnung unbegründet sei. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.

Das Gericht stellte klar: Bereits das Anbieten und Bewerben einer Rechtsdienstleistung ohne entsprechende Erlaubnis stellt einen Wettbewerbsverstoß dar. Eine tatsächliche rechtliche Prüfung im Einzelfall sei dafür nicht erforderlich, schon der Eindruck, es finde eine solche statt, genüge.

Nach § 2 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetzt (RDG) sei eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung erfordert. Genau diesen Eindruck vermittle die Website der Klägerin: Die Formulierungen, die „individuellen Angebote“ und die hohe Löschungsquote suggerierten, dass eine rechtliche Bewertung der Bewertungen stattfinde.

Dass das Unternehmen tatsächlich nur ein standardisiertes Schreiben an die Plattformen schickt („Bei der vorliegenden Bewertung ist nicht nachvollziehbar, inwieweit ein nötiger Anknüpfungspunkt vorliegt“), ändere daran nichts. Denn objektiv erwarte der angesprochene Kunde eine individuelle rechtliche Überprüfung.

Das Gericht betonte außerdem, dass die Schutzfunktion des Rechtsdienstleistungsgesetzes gerade darin bestehe, Rechtssuchende und den Rechtsverkehr vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu bewahren. Eine Umgehung dieser Schutzfunktion durch geschicktes Marketing sei nicht hinnehmbar.

Begründung und Einordnung

Das OLG Frankfurt schloss sich damit der Linie des OLG Hamburg, Urt. v. 23.11.2023 – 5 U 25/23 („Kundenbewertungskontrolle“) an, wonach die objektive Erwartung des Kunden ausschlaggebend ist: Wenn eine rechtliche Einzelfallprüfung erforderlich oder aus Kundensicht anzunehmen ist, liegt eine Rechtsdienstleistung vor.

Auch der Hinweis in den AGB der Klägerin, man erbringe keine Rechtsberatung und prüfe Bewertungen nicht inhaltlich, half ihr nicht. Solche Klauseln stünden in keinem angemessenen Verhältnis zur werblichen Darstellung auf der Website und seien daher unbeachtlich.

Zudem betonte das Gericht, dass die Bewerbung mit Erfolgsquoten und TÜV-Zertifizierung den Eindruck einer rechtlichen Kompetenz verstärke – ein wesentliches Indiz für den Verstoß. Der Verweis auf die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) greife nicht: Niemand dürfe den Eindruck erwecken, rechtliche Leistungen anzubieten, wenn er dazu nicht befugt ist.

Fazit: Klare Grenzen für Reputationsdienstleister

Mit dieser Entscheidung zieht das OLG Frankfurt eine deutliche Grenze zwischen erlaubtem Reputationsmanagement und unzulässiger Rechtsdienstleistung. Unternehmen dürfen zwar technische oder kommunikative Unterstützung anbieten, so etwa beim Monitoring von Bewertungen oder bei der Gestaltung von Reaktionsstrategien, nicht jedoch rechtlich relevante Beanstandungen oder Löschungsverfahren im Namen ihrer Kunden führen.

Auch das bloße Anbieten oder Bewerben solcher Leistungen ohne Zulassung reicht aus, um gegen § 3a UWG in Verbindung mit dem RDG zu verstoßen. Der Schutz des Rechtsverkehrs vor unqualifizierten Anbietern steht für die Gerichte klar im Vordergrund.

Praxistipps für Unternehmen und Dienstleister

  1. Anbieter von Bewertungs- oder Reputationsdiensten sollten klarstellen, dass sie keine Rechtsdienstleistungen erbringen und keine rechtliche Bewertung von Inhalten vornehmen.
  2. Aussagen wie „Löschung von Bewertungen durchsetzen“ oder „rechtlich prüfen“ können bereits den Eindruck einer Rechtsberatung erwecken.
  3.  Zulässig sind rein technische oder organisatorische Leistungen, wie etwa das Melden von Verstößen nach vorgegebenen Plattformrichtlinien.
  4.  Wer rechtliche Schritte gegen Bewertungen prüfen oder durchsetzen will, sollte dies einem Rechtsanwalt überlassen.

 

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