Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Werbung mit einem sogenannten „Beispielpreis“ bei abgepackten Lebensmitteln untersagt.
ALDI hatte Bio-Filetsteaks mit einer auffälligen Preisangabe beworben, die laut Gericht gegen die Preisangabenverordnung verstößt. Das Urteil zeigt: Wer Beispielpreise nutzt, riskiert rechtliche Konsequenzen – und offenbart zugleich, wie wenig Aufmerksamkeit Gerichte dem Verbraucher zutrauen.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagte gegen ALDI SE & Co. KG, weil der Discounter in einer Filiale Bio-Filetsteaks zu unterschiedlichen Gewichten anbot – am Regal jedoch mit einem hervorgehobenen Beispielpreis von 6,96 € für 162 g warb. Nach Ansicht der Verbraucherschützer täuschte diese Darstellung Kunden über den tatsächlichen Kaufpreis.
The OLG Stuttgart (Urteil vom 11. 09. 2025, Az. 2 U 98/24) gab der Verbraucherzentrale recht. ALDI wurde verurteilt, derartige Preisdarstellungen zu unterlassen. Damit korrigierte das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 06. Juni 2024, Az.: 37 O 3/24 KfH, das die Klage zunächst abgewiesen hatte. Die Richter machten deutlich: Eine blickfangartige Werbung mit einem nur beispielhaft zu verstehenden Preis ist unlauter, wenn sie den Verbraucher über den tatsächlichen Gesamtpreis irreführt.
Der Irreführungstatbestand
Das Gericht stellte fest, dass der Gesamtpreis nach der Preisangabenverordnung (§ 3 PAngV) eine wesentliche Verbraucherinformation ist. Wird dieser Preis durch einen optisch dominanten Beispielpreis überlagert, fehlt die gesetzlich geforderte Preisklarheit.
Zwar war auf jeder Packung ein korrekter Einzelpreis angegeben, doch nach Auffassung des Senats wurde diese Information durch das große Preisschild am Regal verdrängt. Der Beispielpreis „6,96 €“ zog die Aufmerksamkeit der Kunden so stark auf sich, dass sie den tatsächlichen Preis auf der Ware nicht mehr wahrnahmen.
Die Richter formulierten deutlich:
„Die grafische Dominanz der Angabe ‚6,96 €‘ überlagert das allgemeine Erfahrungswissen der Verbraucher, dass Fleischpreise nach Gewicht variieren.“
Auch der Zusatz „z.B.“ änderte daran nichts. Weil die Abkürzung hinter der Gewichtsangabe stand („162 g z.B.“), verstanden viele Kunden sie laut Gericht so, dass nur das Gewicht variabel sei, nicht der Preis. Damit wurde ein falscher Eindruck eines Einheitspreises vermittelt.
Werbung mit Beispielpreis – nicht grundsätzlich verboten, aber riskant
Das OLG Stuttgart stellte klar, dass Werbung mit einem Beispielpreis nicht per se verboten ist. Entscheidend ist jedoch, ob die Gestaltung den Verbraucher über den tatsächlichen Gesamtpreis täuscht.
Die Richter betonten: Ein erheblicher Teil der Verbraucher könne mathematische Preiszusammenhänge – etwa aus Grundpreisangaben – nicht richtig einordnen. Dadurch werde die Preistransparenz unterlaufen. Der beworbene Beispielpreis wirke in der Praxis wie ein fester Endpreis und beeinflusse die Kaufentscheidung.
Damit verstieß ALDI nach Ansicht des Senats gegen §§ 5a, 5b UWG in Verbindung mit der Preisangabenverordnung. Die Folge: Das Beispielpreis-Schild wurde als unlauter und wettbewerbswidrig eingestuft.
Konsequenzen für Händler und Werbung
Das Urteil hat Signalwirkung: Unternehmen dürfen Beispielpreise nur mit größter Vorsicht verwenden. Jede Preisangabe muss klar, eindeutig und richtig zugeordnet sein. Insbesondere bei Produkten mit variablen Gewichten – etwa Fleisch, Käse oder Obst – kann ein unklarer Beispielpreis schnell als Täuschung gewertet werden.
Die OLG-Richter betonten die Pflicht zur Preisklarheit:
- The Gesamtpreis muss für jede Packung eindeutig erkennbar sein.
- A Beispielpreis darf nicht im Blickfang stehen, wenn dadurch ein falscher Eindruck entsteht.
- Der Zusatz „z.B.“ muss so platziert sein, dass unmissverständlich klar wird, dass auch der Preis nur beispielhaft ist.
Unternehmen sollten daher auf auffällige Beispielpreise verzichten oder diese nur in Kombination mit klaren Erläuterungen verwenden.
Kritisches Fazit: Verbraucherschutz oder Misstrauen?
Das Urteil stärkt zweifellos den Verbraucherschutz, hat aber eine Kehrseite: Es unterstellt dem Verbraucher eine hohe Unaufmerksamkeit und begrenzte Auffassungsgabe. Die Richter gehen davon aus, dass viele Kunden selbst einfache Preisunterschiede nicht erkennen.
Das mag im Einzelfall zutreffen, führt aber zu einer Überregulierung im Wettbewerbsrecht. Unternehmen verlieren zunehmend gestalterische Freiheit, während der Verbraucher – entgegen der Realität – als besonders schutzbedürftig gilt.
Werbung mit einem Beispielpreis bleibt also zulässig, ist aber rechtlich riskant. Händler sollten die Preisgestaltung daher frühzeitig rechtlich prüfen lassen, um teure Abmahnungen zu vermeiden.
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