Das Verwaltungsgericht Köln hat sich im letzten Jahr mit Urteil vom 13.08.2024 (Az. 7 K 2492/22) mit der Unterscheidung von (Präsentations-) Arzneimitteln und Kosmetika beschäftigt und wichtige Abgrenzungsfragen geklärt.
Regulatorische Abgrenzungsfragen spielen bei stofflichen Gesundheitsprodukten eine erhebliche Rolle. So ist es für die Vermarktung eines vitaminhaltigen Produktes in Kapselform von entscheidender Bedeutung, ob es sich hierbei um ein Arzneimittel oder um ein Nahrungsergänzungsmittel, also um ein Lebensmittel handelt. Vergleichbare Konstellationen können sich auch bei anderen Produktkategorien, etwa Medizinprodukten oder Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke ergeben.
1. Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das dermatologische Produkte vertreibt und brachte die “Q.-Creme” als Kosmetikum in den Verkehr. Die Verpackung enthielt Aussagen wie “Intensivpflege bei sehr trockener, gereizter Haut sowie Neurodermitis” und “sofortige Linderung des Juckreizes”. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stellte fest, dass es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele, da durch die Produktpräsentation eine arzneiliche Zweckbestimmung suggeriert werde. Insbesondere die Erwähnung von Neurodermitis sowie die betonte Wirkung von Mikrosilber wurden als Indizien für eine Arzneimitteleigenschaft gewertet.
2. Entscheidung des Gerichts:
Das Verwaltungsgericht Köln hob den Bescheid des BfArM auf. Es entschied, dass die “Q.-Creme” kein Arzneimittel, sondern ein Kosmetikum sei. Begründet wurde dies damit, dass:
- die zentrale Produktpräsentation auf “Pflege” abzielte und nicht auf die Heilung oder Behandlung einer Krankheit,
- Mikrosilber und Panthenol zwar auch in Arzneimitteln genutzt würden, jedoch ebenso in Kosmetika verbreitet seien,
- die Marke “L.” zwar auch Medizinprodukte vertreibt, dies aber nicht zwingend zur Arzneimitteleigenschaft des Produkts führe,
- die Gesamtaufmachung nicht klar darauf hindeutete, dass das Produkt primär zur Behandlung von Krankheiten bestimmt sei.
3. Relevante rechtliche Aspekte:
- Arzneimittelbegriff gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG: Ein Produkt gilt als Arzneimittel, wenn es als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten beworben wird.
- Kosmetikbegriff nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009: Kosmetika sind primär dazu bestimmt, die Haut zu pflegen und zu schützen.
- Abgrenzung von Arzneimitteln und Kosmetika: Entscheidend ist die Gesamtpräsentation, einschließlich Verpackung, Werbeaussagen und Verbrauchererwartung.
4. Handlungsempfehlung für Unternehmen im Bereich Dermatologie/Kosmetik
Um zu vermeiden, dass Produkte fälschlich als zulassungspflichtige Arzneimittel eingestuft werden, sollten dermatologische Unternehmen folgende Punkte beachten:
- Verpackung & Werbung: Keine Formulierungen verwenden, die eine Heil- oder Linderungswirkung suggerieren (z. B. “beugt Entzündungen vor”). Stattdessen neutrale Pflegehinweise nutzen (z. B. “unterstützt die Hautbarriere”).
- Vermeidung medizinischer Begriffe: Die Nennung von Krankheitsbildern (z. B. “Neurodermitis”) auf der Verpackung oder in der Werbung vermeiden oder in einem rein pflegenden Kontext verwenden.
- Inhaltsstoffe vorsichtig bewerben: Auch wenn Inhaltsstoffe wie Mikrosilber oder Panthenol eine medizinische Wirkung haben können, sollten sie primär im Zusammenhang mit ihrer pflegenden Funktion beworben werden.
- Konsistente Produktkommunikation: Alle Aussagen in Online-Auftritten, Verpackungen und Beipackzetteln sollten einheitlich sein und keine widersprüchlichen Signale senden.
- Rechtliche Prüfung vor Markteintritt: Eine genaue Analyse der Produktkommunikation durch erfahrene Berater kann helfen, rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Empfehlung
Mit diesen Maßnahmen können Unternehmen das Risiko minimieren, dass ihre dermatologischen Produkte als Arzneimittel eingestuft werden. Dadurch könnte eine kostspielige Zulassungspflicht bestehen oder es könnte zu wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen kommen. Gerne unterstützen die Rechtsanwälte und Fachanwälte von AVANTCORE Sie bei Fragen zu Ihrer Produktpositionierung.