Im Streit um zwei abstrakte Bildmarken mit V-förmig angeordneten Linien hat das EuG entschieden, dass bereits geringe optische Ähnlichkeiten bei einfach gestalteten Zeichen eine Verwechslungsgefahr begründen können.
Hintergrund des Verfahrens war ein Widerspruch der Giorgio Armani SpA gegen die Eintragung einer von der Shenzhen City Chongzheng Technology Co. Ltd angemeldeten Unionsbildmarke, die unter anderem Schutz für Produkte wie Kopfhörer, USB-Kabel und Ladegeräte beanspruchte. Armani stützte den Widerspruch auf eine ältere Unionsmarke, die einen stilisierten Adler mit horizontalen Linien in V-Form zeigt und unter anderem für Hüllen für Computerkabel sowie andere elektronische Schutzhüllen geschützt ist.
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ältere Marke von Armani |
angegriffene Markenanmeldung |
Sowohl die Widerspruchsabteilung als auch die Beschwerdekammer des EUIPO wiesen den Widerspruch zurück. Die Beschwerdekammer verneinte insbesondere eine Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen und ging von einer sehr unterschiedlichen Gesamtwirkung aus, sodass sie auch keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Unionsmarkenverordnung (UMV) annahm. Eine weitergehende Prüfung nach Artikel 8 Absatz 5 UMV unterblieb, da es nach ihrer Auffassung bereits gänzlich an einer Zeichenähnlichkeit fehlte.
Das Gericht des Europäischen Union (EuG) widersprach in seinem Urteil vom 27.11.2024, Az. T-509/23 dieser Einschätzung und hob die Entscheidung der Beschwerdekammer auf. Es stellte fest, dass zwischen den beiden Bildzeichen durchaus eine gewisse optische Ähnlichkeit besteht. Beide Marken verwenden horizontale Linien, die in einer V-Form angeordnet sind. Auch wenn es Unterschiede in der grafischen Ausgestaltung gibt, wie etwa in der Dicke der Linien, in zusätzlichen Gestaltungselementen wie dem Adlerkopf bei der älteren Marke oder der verlängerten unteren Linie bei der jüngeren Marke, bleibe für den durchschnittlichen Verbraucher aus einer gewissen Distanz der Eindruck eines ähnlichen, aus waagerechten Streifen bestehenden „V“ erhalten. Da sich Verbraucher erfahrungsgemäß nur unvollständig an Zeichen erinnern und einfache grafische Elemente schwerer voneinander zu unterscheiden sind, könne ein zumindest geringer Grad an Ähnlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
Aufgrund dieser festgestellten Zeichenähnlichkeit hätte die Beschwerdekammer im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung auch die weiteren Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr prüfen müssen, einschließlich der Warenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Zudem wäre im Hinblick auf den erweiterten Schutz bekannter Marken nach Artikel 8 Absatz 5 UMV zu untersuchen gewesen, ob die Benutzung der jüngeren Marke geeignet ist, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund auszunutzen oder zu beeinträchtigen.
Da die diese weiteren Prüfungen aufgrund ihrer Annahme einer fehlenden Zeichenähnlichkeit vollständig unterlassen hatte, erklärte das EuG die Entscheidung der Beschwerdekammer für rechtsfehlerhaft. Es hob sie daher auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das EUIPO zurück.
Fazit
Die Entscheidung macht deutlich, dass gerade bei grafisch einfachen, abstrakten Marken – wie etwa geometrischen Formen oder stilisierten Symbolen – bereits geringe optische Übereinstimmungen eine Zeichenähnlichkeit begründen können. Für Markenanmelder bedeutet das: Auch scheinbar kleine Gestaltungsähnlichkeiten zu bestehenden Bildmarken können problematisch sein.