In einem aktuellen Beschluss vom 22. April 2025 (Az. 7 S 1/25) hat das OVG Berlin-Brandenburg über die aufschiebende Wirkung eines Nachbarwiderspruchs gegen eine Änderungsgenehmigung für ein sogenanntes Repowering-Vorhaben entschieden.

  1. Hintergrund der Entscheidung

Repowering

Die Beigeladene plante im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans den Austausch älterer Windenergieanlagen durch leistungsstärkere, deutlich höhere Modelle. Solche Vorhaben werden im Allgemeinen als Repowering bezeichnet. Der Antragsteller wandte sich gegen die genehmigte Gesamthöhe von über 200 Metern mit der Begründung, dass die Änderung genehmigungsrechtlich fehlerhaft sei und ihn unzumutbar belaste.

  1. Rechtliche Kernaussagen

Der Beschluss des OVG enthält eine Reihe grundsätzlicher Aussagen zum drittschützenden Gehalt von Festsetzungen in Bebauungsplänen sowie zum Rücksichtnahmegebot und der Reichweite des Nachbarrechtsschutzes:

  • Befreiung von Maßfestsetzungen (§ 31 Abs. 2 BauGB): Das Gericht stellt klar, dass Nachbarn sich nur dann auf Fehler bei einer Befreiung von Festsetzungen berufen können, wenn die betreffende Festsetzung nachbarschützenden Charakter hat. Die Höhenbegrenzung von 200 m im Bebauungsplan diene vorliegend jedoch primär der technischen Steuerung des Windparks, nicht dem individuellen Schutz Dritter – insbesondere nicht von Grundstückseigentümern außerhalb des Plangebiets.
  • Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO): Die optisch bedrängende Wirkung sei nicht gegeben, da der Abstand der Windenergieanlage zu den nächstgelegenen Grundstücken des Antragstellers bei über 1,8 km liege. Der Maßstab des § 249 Abs. 10 BauGB – doppelter Anlagenabstand – sei deutlich überschritten. Die bloße Sichtbarkeit begründe kein Abwehrrecht.
  • Lärm- und Brandschutzaspekte: Die pauschale Bezugnahme auf frühere Lärmbelastungen und auf eine angeblich unzureichende Löschwasserversorgung genügt dem Gericht nicht für eine substantiierte Darlegung konkreter Rechtsverletzungen. Zudem betont das Gericht, dass der Brandschutz regelmäßig kein nachbarschützendes Element enthält.
  • Gebietserhaltungsanspruch: Dieser wird ebenfalls verneint, da Antragsteller und Vorhabengrundstück nicht im selben Baugebiet liegen und eine gebietsübergreifende Schutzwirkung im konkreten Fall nicht erkennbar war.
  1. Einordnung und praktische Bedeutung

Die Entscheidung unterstreicht die deutlich gestiegenen Anforderungen an Nachbarn, die sich gegen Repowering-Vorhaben von Windparks zur Wehr setzen wollen. Die großzügige Auslegung des öffentlichen Interesses an erneuerbarer Energie (§ 2 EEG) und die Betonung der planerischen Gestaltungsfreiheit der Kommunen stellen hohe Hürden für den erfolgreichen Nachbarwiderspruch dar.

Auch bekräftigt der Senat die eingeschränkte Klagemöglichkeit von Eigentümern außerhalb des Bebauungsplangebiets, selbst wenn sie von der Maßfestsetzung betroffen sind. Das OVG folgt dabei der Linie des Bundesverwaltungsgerichts (sog. „Wannsee“-Urteil), das nur in Ausnahmefällen einen nachbarlichen Schutz über die Grenzen des Plangebiets hinaus anerkennt.

Empfehlung für Betroffene von Repowering

Grundstückseigentümern, die sich durch Windenergieanlagen beeinträchtigt fühlen, ist dringend zu raten, frühzeitig im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung tätig zu werden und konkrete, substantiierte Einwendungen zu erheben. Allgemeine Hinweise auf Sichtbeziehungen, subjektives Unbehagen oder pauschale Lärmbeschwerden genügen regelmäßig nicht, um den Rechtsschutz in der Sache erfolgreich durchzusetzen.

Für die gerichtliche Auseinandersetzung kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit ein individuelles Abwehrrecht aus dem Rücksichtnahmegebot oder drittschützenden Vorschriften abgeleitet werden kann. Die detaillierte Prüfung der Abstandsverhältnisse, planerischen Intentionen sowie der tatsächlichen Immissionsbelastung ist dabei unerlässlich.

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