Gemeinden, die einen Weihnachtsmarkt veranstalten, können Schausteller, deren Angebot nicht ins Konzept passt, mit gerechtfertigten Gründen ausschließen.
Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 26. September 2025 (1 LA 400/24) den Antrag eines Schaustellers auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des VG Bremen abgelehnt. Die Entscheidung betrifft die umstrittene Nicht-Zulassung zum Bremer Weihnachtsmarkt 2024 und präzisiert, unter welchen Voraussetzungen Veranstalter Bewerber vom Marktbetrieb ausschließen dürfen.
Das Gericht stellt klar: Teilnahmeansprüche nach § 70 GewO bestehen nicht schrankenlos. Der Veranstalter einer festgesetzten Marktveranstaltung verfügt über ein weites Gestaltungsermessen, das von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüft werden darf.
Teilnahmeanspruch nach § 70 GewO – nur Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Nach § 70 Abs. 1 GewO kann „jedermann, der dem Teilnehmerkreis angehört“, an einer festgesetzten Veranstaltung teilnehmen. Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 70 Abs. 3 GewO eingeschränkt: Der Veranstalter darf einzelne Bewerber aus sachlich gerechtfertigten Gründen ausschließen.
In der Praxis bedeutet das:
Ein Aussteller oder Schausteller hat keinen Rechtsanspruch auf Teilnahme, sondern lediglich auf eine fehlerfreie Ermessensausübung. Die Behörde oder Kommune darf Auswahlkriterien wie Qualität, Gestaltung, Angebotsvielfalt oder Sicherheitsaspekte heranziehen und in einer Zulassungsrichtlinie festschreiben.
Diese Grundsätze gelten nicht nur auf Grundlage der Gewerbeordnung, sondern finden über die kommunale Selbstverwaltung auch im Rahmen gemeindlicher Marktordnungen Anwendung. Ziel ist stets die Wahrung eines ausgewogenen und stimmigen Gesamtbildes der Veranstaltung – ein legitimes öffentliches Interesse, das das Einzelinteresse eines Bewerbers überwiegen kann.
Darum ging es: Abgelehnte Bewerbung für den Weihnachtsmarkt mit „Weihnachtspyramide“ und „Weihnachtsbaum“
Der Kläger, ein Schausteller, bewarb sich für den Bremer Weihnachtsmarkt 2024 mit drei imposanten Aufbauten: einer 12 m hohen Weihnachtspyramide sowie zwei Weihnachtsbäumen mit 25 m und 40 m Höhe.
Die Veranstalterin – die Stadt Bremen – lehnte die Bewerbung ab, weil die geplanten Aufbauten nicht in das Gestaltungskonzept des Marktes passten. Die Stadt verfolgt ein Konzept, das eingeschossige und höhenmäßig homogene Ausschankbetriebe vorsieht, um ein einheitliches und historisch angepasstes Marktbild zu gewährleisten.
Von insgesamt 250 Bewerbungen für den Bremer Weihnachtsmarkt wurden 149 zugelassen. Vorrangiges Auswahlkriterium war laut der Zulassungsrichtlinie für Volksfeste und Marktveranstaltungen der Stadt Bremen die Qualität der Geschäfte, konkretisiert durch Erscheinungsbild, Bauweise und Einbindung ins historische Umfeld.
Der Kläger sah sich willkürlich benachteiligt und rügte, die Stadt habe unsachliche Kriterien herangezogen. Die Höhe oder Geschossigkeit sei kein zulässiges Auswahlkriterium, zumal die Innenstadt selbst von mehrgeschossigen Gebäuden geprägt sei. Zudem sei das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, da andere hohe Aufbauten – etwa ein Riesenrad oder der städtische Weihnachtsbaum – zum Weihnachtsmarkt zugelassen worden seien.
Die Entscheidung des OVG Bremen: Gestaltungskonzept hat Vorrang
Das OVG Bremen folgte dieser Argumentation nicht. Es bestätigte die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Stadt rechtmäßig gehandelt habe.
Weites Gestaltungsermessen nach § 70 GewO
Dem Veranstalter steht nach § 70 Abs. 1 und 3 GewO ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Dieser umfasst die Festlegung von Auswahlkriterien ebenso wie die Gestaltung des Gesamt- und Platzkonzepts. Das Gericht betonte, dass diese Ermessensausübung gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar sei – also auf Willkür, sachfremde Erwägungen oder grobe Gleichheitsverstöße.
Sachgerechte Auswahlkriterien
Die Orientierung an einem homogenen Erscheinungsbild ist laut Gericht sachlich gerechtfertigt. Die Höhe und Geschossigkeit von Ausschankbetrieben dürfen als Auswahlkriterium dienen, wenn das Ziel darin besteht, ein einheitliches, ansprechendes Marktbild zu schaffen.
Das OVG hob hervor, dass die Stadt nicht auf die Geschossigkeit, sondern in erster Linie auf die absolute Höhe der Betriebe abgestellt habe. Diese Entscheidung sei nachvollziehbar und diene der Wahrung des historischen Stadtbildes.
Kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Andere Aufbauten wie Fahrgeschäfte oder der städtische Weihnachtsbaum seien nicht vergleichbar, da sie anderen Zwecken dienten. Die unterschiedliche Behandlung sei daher sachlich begründet.
Heilung formeller Mängel
Selbst wenn die Ablehnungsbescheide zunächst knapp begründet waren, konnte die Begründung im Gerichtsverfahren nach § 45 BremVwVfG wirksam nachgeholt werden. Auch der Einwand fehlenden effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) griff nicht durch, da dem Kläger ausreichend Zeit blieb, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.
Ergebnis: Die Berufung wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung des VG Bremen ist rechtskräftig.
Rechtliche Bewertung und Einordnung
Die Entscheidung fügt sich in eine gefestigte Linie verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ein:
Bereits zuvor hatte das OVG Bremen (Beschl. v. 15.08.2019 – 2 LA 296/18) betont, dass Veranstalter vorab Kriterien zur Auswahl der Marktteilnehmer festlegen dürfen, solange diese nachvollziehbar, transparent und willkürfrei angewendet werden.
Damit stärkt das Gericht den Spielraum der Kommunen bei der Organisation eines Weihnachtsmarktes und anderer öffentlicher Veranstaltungen. Die Gestaltungsfreiheit umfasst auch ästhetische, städtebauliche und imagebezogene Aspekte – etwa das Ziel, für den Weihnachtsmarkt ein traditionelles, „norddeutsch-historisches“ Marktbild zu wahren.
Praxishinweis für Markt- und Festbetreiber
Für Schausteller, Gastronomen und Eventanbieter gilt:
Ein Teilnahmeanspruch auf einem Weihnachtsmarkt oder Volksfest besteht nur im Rahmen einer ermessensfehlerfreien Entscheidung. Wer sich bewirbt, sollte sich daher eng an den Zulassungsrichtlinien orientieren und bereits im Antrag überzeugend darlegen, dass das eigene Geschäft in das Konzept der Veranstaltung passt.
Empfehlungen aus anwaltlicher Sicht:
- Richtlinienanalyse: Prüfen Sie die aktuellen Zulassungsrichtlinien der Kommune vor der Bewerbung genau.
- Gestaltung anpassen: Achten Sie auf Vorgaben zu Höhe, Fassadengestaltung, Beleuchtung und Material.
- Transparente Kommunikation: Fragen Sie frühzeitig nach Kriterien und Konzepten, um spätere Konflikte zu vermeiden.
- Rechtsmittel nutzen: Wird der Antrag abgelehnt, sollte sofort Akteneinsicht beantragt und ggf. Eilrechtsschutz in Anspruch genommen werden. Dabei stehen Ihnen die Experten von AVANTCORE Rechtsanwälte in Stuttgart mit anwaltlicher Beratung im Verwaltungsrecht zur Seite.