Mit Urteil vom 29. April 2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-452/23 (Fastned Deutschland GmbH & Co. KG gegen Die Autobahn GmbH des Bundes) grundlegende Aussagen zur vergaberechtlichen Zulässigkeit von Änderungen bestehender Konzessionsverträge getroffen.

Im Zentrum stand die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Konzessionen, die ursprünglich ohne Ausschreibung an sog. In-House-Einrichtungen vergeben wurden (sogenannte In-House-Konzessionen), nachträglich geändert werden dürfen, wenn der Konzessionsnehmer seine In-House-Eigenschaft später verliert.

  1. In-House-Konzessionen als Hintergrund des Verfahrens

Die Klägerin, Fastned Deutschland GmbH & Co. KG, ein privater Anbieter von Schnellladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, beanstandete die vertragliche Änderung bestehender Betriebskonzessionen im Bereich der Rastanlagennutzung entlang deutscher Autobahnen. Die betroffenen In-House-Konzessionen waren ursprünglich im Rahmen eines In-House-Geschäfts ohne Ausschreibung an Tochtergesellschaften der Bundesverwaltung vergeben worden.

In-House-KonzessionenIm Laufe der Zeit verloren diese Gesellschaften jedoch ihre In-House-Eigenschaft – insbesondere durch Veränderungen in der Beteiligungsstruktur und zunehmende wirtschaftliche Eigenständigkeit. Die Autobahn GmbH des Bundes änderte daraufhin bestehende Konzessionsverträge, um die Errichtung und den Betrieb von Schnellladeinfrastruktur durch die bisherigen Konzessionsnehmer zu ermöglichen, ohne ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Fastned machte geltend, dies verletze die Vorgaben des EU-Konzessionsvergaberechts.

  1. Kernaussagen des Urteils

Der EuGH nutzte das Verfahren zur Präzisierung der Anforderungen an die vergaberechtsfreie Änderung bestehender Konzessionen und zur Auslegung von Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/23/EU.

a) Keine Sperrwirkung durch Wegfall der In-House-Eigenschaft

Zentral stellt der Gerichtshof klar, dass der Verlust der In-House-Eigenschaft eines ursprünglich ohne Vergabeverfahren begünstigten Konzessionsnehmers nicht per se zur Unzulässigkeit von Vertragsänderungen führt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Voraussetzungen des Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Konzessionsvergaberichtlinie eingehalten sind. Eine Änderung kann somit auch dann zulässig sein, wenn der Vertragspartner zum Zeitpunkt der Vertragsmodifikation nicht mehr als In-House-Einrichtung einzustufen ist.

b) Voraussetzungen für eine zulässige Änderung nach Art. 43 Abs. 1 Buchst. c RL 2014/23/EU

Der EuGH konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen eine erhebliche Änderung eines Konzessionsvertrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens rechtmäßig ist. Die Regelung setzt voraus:

  • Unvorhersehbarkeit: Die Notwendigkeit der Änderung muss durch Umstände ausgelöst worden sein, die der öffentliche Auftraggeber bei sorgfältiger Vorbereitung nicht vorhersehen konnte.
  • Wahrung des Vertragscharakters: Die Änderung darf den Gesamtcharakter der Konzession nicht verändern. Dies bedeutet, dass das wirtschaftliche und funktionale Grundgefüge des Vertrags erhalten bleiben muss.
  • Begrenzter wirtschaftlicher Umfang: Der finanzielle Wert der Änderung darf die in Art. 43 Abs. 1 Buchst. c genannten Schwellen nicht überschreiten (in der Regel 50 % des ursprünglichen Konzessionswertes).

c) Keine nachträgliche Überprüfung der ursprünglichen Vergabe bei Fristablauf

Darüber hinaus stellt der EuGH klar, dass Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, nationalen Gerichten eine nachträgliche Überprüfung der ursprünglichen (In-House-)Vergabe zu gestatten, wenn die dafür vorgesehenen Rechtsmittelfristen bereits verstrichen sind. Die Änderbarkeit des Vertrags ist demnach rechtlich isoliert von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe zu beurteilen – ein wichtiger Hinweis für die Rechtsklarheit öffentlicher Auftraggeber.

  1. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Konzessionsvergabe und Konzessionsänderung. Es stellt klar, dass die Änderung bestehender Konzessionen unter engen, aber praxistauglichen Bedingungen auch dann möglich ist, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen – insbesondere die Eigenschaft des Konzessionsnehmers – zwischenzeitlich verändert haben.

Zugleich stärkt der EuGH die Rechtssicherheit öffentlicher Auftraggeber, indem er eine nachträgliche umfassende Kontrolle früherer Vergabeentscheidungen im Rahmen von Änderungsstreitigkeiten ablehnt.

Empfehlungen für Vergabestellen und Bieter zum Umgang mit In-House-Konzessionen

Für öffentliche Auftraggeber:

  • Sorgfältige Prüfung der Änderungsvoraussetzungen: Bevor eine Änderung bestehender Konzessionen vorgenommen wird, sollte eine strukturierte rechtliche Prüfung nach Art. 43 Abs. 1 RL 2014/23/EU erfolgen – dokumentiert, nachvollziehbar und im Zweifel extern geprüft.
  • Transparenz und Dokumentation: Eine nachvollziehbare Dokumentation der unvorhersehbaren Umstände und der Auswirkungen auf den Gesamtcharakter des Vertrags ist unverzichtbar.
  • Veröffentlichung von Änderungen: Auch wenn kein neues Verfahren erforderlich ist, empfiehlt sich im Sinne der Transparenz eine Mitteilung nach Art. 51 der RL 2014/23/EU (freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung), um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen.

Für interessierte Unternehmen und Bieter:

  • Beobachtungspflicht: Marktteilnehmer sollten Änderungen bestehender Konzessionen aufmerksam beobachten – insbesondere im Rahmen öffentlich bekannt gemachter Änderungen.
  • Rechtsschutzmöglichkeiten prüfen: Erfolgt eine Änderung ohne Bekanntmachung und liegt ein potenziell unzulässiger Eingriff in den Wettbewerb vor, kann eine Rüge oder ein Nachprüfungsantrag in Betracht kommen. Hier ist Eile geboten: Die maßgeblichen Rechtsmittelfristen beginnen mit positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis zu laufen.

Bei weiteren Fragen oder zur rechtssicheren Begleitung von Konzessionsänderungen stehen Ihnen die Rechtsanwälte von AVANTCORE Rechtsanwälte mit tiefgreifender Expertise im europäischen Vergaberecht und Konzessionsrecht zur Seite.