Leiturteil des BGH zur Werbung mit Prämien und Gutscheinwerbung für Apotheken

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 6. November 2025 (Az. I ZR 182/22 – „Gutscheinwerbung II) die rechtlichen Grenzen für Rabatt- und Bonusaktionen sowie Gutscheinwerbung für Apotheken geschärft. Die Entscheidung steht im Kontext einer jahrelangen Auseinandersetzung zwischen der Apothekerkammer Nordrhein und einer niederländischen Versandapotheke, die mit Prämien, Gutscheinen und Vorteilsaktionen für den Bezug verschreibungspflichtiger Medikamente geworben hatte.

Im Mittelpunkt des Urteils stehen zwei Fragen:

  1. Wann verstoßen Gutscheinaktionen gegen § 7 HWG?
  2. Unter welchen Voraussetzungen haftet die Antragstellerin einer einstweiligen Verfügung nach § 945 ZPO für deren Vollziehung?

Darum ging es: Rezeptprämien, Hotelgutscheine und Rabattaktionen

Die Versandapotheke hatte in mehreren Werbekampagnen den Kunden durch Gutscheinwerbung für Apotheken geldwerte Vorteile für das Einsenden von Rezepten versprochen – etwa:

  • eine „Rezeptprämie“ zwischen 2,50 € und 20 € pro eingesendetem Rezept,
  • Hotelübernachtungen oder eine kostenlose ADAC-Mitgliedschaft bei Freundschaftswerbung,
  • sowie 5-Euro-Gutscheine für Folgekäufe nicht verschreibungspflichtiger Produkte.

Die Apothekerkammer Nordrhein sah hierin Verstöße gegen die Preisbindung nach § 78 AMG und das Werbegabenverbot des § 7 HWG. Zwischen 2013 und 2015 erwirkte sie fünf einstweilige Verfügungen. Nachdem diese später teilweise aufgehoben wurden, verlangte die Versandapotheke Schadensersatz nach § 945 ZPO in Höhe von rund 18 Mio. €, weil die Verfügungen angeblich „von Anfang an ungerechtfertigt“ gewesen seien.

Der rechtliche Rahmen – § 945 ZPO als Risikoregel

Der BGH betont: Nach § 945 ZPO haftet der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung nur, wenn sich diese von Anfang an als ungerechtfertigt erweist.

Kein Anspruch besteht dagegen,

  • wenn die Verfügung zu Recht ergangen ist oder
  • wenn das untersagte Verhalten ohnehin rechtswidrig war, sodass dem Betroffenen kein ersatzfähiger Schaden entstehen kann.

Damit folgt der Senat seiner Linie aus dem Urteil „Hot Sox“ (BGH, GRUR 2016, 720): Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung erfolgt stets auf Risiko des Antragstellers, aber § 945 ZPO schützt nicht den, der materiell-rechtlich zur Unterlassung verpflichtet war.

Auch die Einwendung der Beklagten, sie sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht haftungsfähig, wies der BGH zurück:

Wer den Zivilrechtsweg beschreitet und lauterkeitsrechtliche Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz geltend macht, muss sich auch die zivilprozessualen Haftungsfolgen des § 945 ZPO zurechnen lassen.

Zentrale Wertung: Teilweise gerechtfertigte Verfügungen

Der BGH hob das Urteil des OLG Düsseldorf teilweise auf. Drei der fünf Verfügungen (vom 8. 5. 2013, 26. 9. 2013 und 4. 11. 2014) waren von Anfang an gerechtfertigt – weil die zugrunde liegenden Werbemaßnahmen gegen § 7 HWG verstießen.

Für zwei Verfügungen (vom 5. 11. 2013 und 29. 9. 2015) verwies der Senat den Fall zurück, da das Berufungsgericht ausländisches Recht (§ 293 ZPO) unzureichend ermittelt und nicht abschließend geklärt hatte, ob ein Verstoß gegen das Verbringungsverbot des § 73 AMG vorlag. Ein solcher Verstoß könnte den Schadensersatzanspruch ebenfalls ausschließen, weil dann eine eigenständige Unterlassungspflicht bestanden hätte.

Fazit: Schadensersatz nach § 945 ZPO gibt es nur, wenn das untersagte Verhalten rechtmäßig war. Schon die objektive Rechtswidrigkeit genügt, um den Anspruch auszuschließen.

Die heilmittelwerberechtliche Beurteilung – enge Grenzen der Gutscheinwerbung für Apotheken

Gutscheinwerbung für Apotheken BGH Gutscheinwerbung IIIm Mittelpunkt der materiellen Würdigung steht § 7 Abs. 1 HWG, der Werbegaben und Zuwendungen im Zusammenhang mit Arzneimitteln grundsätzlich verbietet.

Der BGH ordnet die beanstandeten Aktionen präzise ein:

  • Prämien mit unbestimmter Höhe („bis zu 20 €“) = unzulässig.
    Die Angabe einer bloßen Bandbreite verstößt gegen § 7 HWG, weil sie den Verbraucher über die tatsächliche Vergünstigung im Unklaren lässt und eine unsachliche Anlockwirkung entfaltet.
  • Sachzuwendungen wie Hotelgutscheine oder Clubmitgliedschaften sind nicht vom Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a HWG erfasst, selbst wenn ihr Geldwert genannt wird.
  • Gutscheine für Folgekäufe („5 €-Gutschein für den nächsten Einkauf“) sind ebenfalls unzulässig, da sie keinen unmittelbar wirkenden Preisnachlass darstellen.

Nur sofortige, konkret bezifferte Geldnachlässe – etwa ein sofort abgezogener Betrag – fallen unter die Ausnahme. Alles andere bleibt verbotene Wertreklame.

Damit folgt der BGH der unionsrechtlichen Linie des EuGH (C-517/23 – Apothekerkammer Nordrhein): Nationale Verbote solcher Gutscheinmodelle als Gutscheinwerbung für Apotheken sind mit Art. 34 AEUV vereinbar, da sie dem Verbraucherschutz und der Sicherung einer sachgerechten Arzneimittelverwendung dienen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung setzt ein deutliches Signal:

Apotheken dürfen mit Gutscheinwerbung für Apotheken keine finanziellen oder sachlichen Anreize anbieten, die über einen sofortigen Preisnachlass hinausgehen. Schon eine unklare Formulierung („bis zu 20 €“) oder ein Gutschein für den nächsten Einkauf kann ein Verstoß gegen § 7 HWG und damit ein Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG sein.

Für Versandapotheken gilt das Verbot von Gutscheinwerbung für Apotheken ebenso wie für stationäre Betriebe – auch wenn sie im EU-Ausland ansässig sind, solange sie an deutsche Kunden werben.

Konsequenzen für § 945 ZPO – kein Schadensersatz bei rechtswidriger Werbung

Das Urteil verdeutlicht, dass Schadensersatzansprüche nach § 945 ZPO keine „zweite Chance“ für rechtswidrig Werbende sind. Wer gegen heilmittel- oder arzneimittelrechtliche Vorschriften verstößt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er ungestört weiterwerben dürfen.

  • Antragstellerinnen von einstweiligen Verfügungen tragen das Risiko, wenn sich der Titel später als unbegründet erweist.
  • Werbende müssen sich aber fragen lassen, ob ihr Verhalten überhaupt rechtmäßig war – andernfalls scheidet § 945 ZPO von vornherein aus.

Fazit und Empfehlung

Der BGH hat mit „Gutscheinwerbung II“ die heilmittelwerberechtlichen Grenzen und die Haftungslogik des § 945 ZPO konsequent zusammengeführt:
Nur wer rechtmäßig gehandelt hat, kann Schadensersatz wegen einer ungerechtfertigten Verfügung beanspruchen. Zugleich gilt: Gutscheinwerbung für Apotheken, Bonus- oder Treueaktionen bleiben hochriskant und sind nur in eng begrenzten Ausnahmen zulässig.

Apotheken, Versandhändler und Marketingagenturen sollten daher jede Werbemaßnahme vorab rechtlich prüfen lassen. Bereits eine kleine Unklarheit in der Prämiengestaltung bei Gutscheinwerbung für Apotheken kann wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und Haftungsrisiken auslösen.

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