EuGH und BVerwG stellen klar: Lebensmittel mit zugesetzten Vitaminen oder Mineralstoffen dürfen kein Bio-Logo tragen. Hersteller müssen umdenken.
Hintergrund: Was das Bio-Siegel eigentlich schützt
Das europäische Bio-Siegel ist weit mehr als ein bloßes Marketinginstrument. Es signalisiert Verbrauchern ein hohes Maß an Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Reinheit der Zutaten. Grundlage bildet die Verordnung (EU) 2018/848, die die gesamte biologische Produktion in der Europäischen Union streng regelt. Danach darf ein Lebensmittel nur dann als „ökologisch/biologisch“ vermarktet werden, wenn es den unionsrechtlich festgelegten Produktions- und Kennzeichnungsvorschriften vollständig entspricht.

Besonders bedeutsam ist dabei die Regel, dass Lebensmittel, die als Bio gekennzeichnet werden, grundsätzlich keine Zusatzstoffe enthalten dürfen. Vitamine und Mineralstoffe sind nur in Ausnahmefällen zulässig – nämlich dann, wenn ihre Verwendung gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit soll verhindert werden, dass Produkte mit dem EU-Bio-Logo auf den Markt kommen, die durch nicht-ökologische Zusätze den Eindruck von Natürlichkeit verfälschen.
Der Streit um das Produkt „B.“
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand die H. Kräuter. GmbH, ein deutsches Unternehmen, das ein Produkt mit dem Namen „B.“ herstellt. Es handelt sich um eine Mischung aus Fruchtsäften und Kräuterauszügen, die aus biologischem Anbau stammen. Dem Getränk wurden allerdings zusätzlich Vitamine und Eisen in Form von Eisengluconat zugesetzt. Die Vermarktung erfolgte gleichwohl mit dem EU-Bio-Logo und dem nationalen Bio-Siegel, außerdem enthielt die Zutatenliste Hinweise auf die ökologische Herkunft einzelner Bestandteile.
Die bayerische Aufsichtsbehörde untersagte diese Kennzeichnung bereits im Jahr 2012. Begründet wurde dies mit der damals geltenden Verordnung (EG) Nr. 834/2007, nach der Vitamine und Mineralstoffe einem Bio-Produkt nur zugesetzt werden durften, wenn ihre Verwendung zwingend vorgeschrieben war. Dagegen wehrte sich H. durch alle Instanzen. Nachdem sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen hatten, gelangte der Fall schließlich vor das Bundesverwaltungsgericht. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung des Bio-Rechts vor.
Das Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2024
Der EuGH entschied klar: Produkte, die mit nicht-pflanzlichen Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert sind, dürfen nicht mit dem EU-Bio-Logo versehen werden, da sie den strengen Produktionsvorschriften der Verordnung (EU) 2018/848 nicht entsprechen. Diese Regel gilt unabhängig davon, ob ein Produkt in der Europäischen Union hergestellt oder aus einem Drittland eingeführt wird.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Aspekt möglicher Ungleichbehandlung. H. hatte argumentiert, dass vergleichbare Produkte aus den Vereinigten Staaten nach dortigem Recht als „organic“ gekennzeichnet und unter Verwendung des EU-Bio-Logos auch in der Union vertrieben werden könnten. Der EuGH stellte jedoch unmissverständlich fest, dass auch für US-Produkte die europäischen Vorgaben maßgeblich sind. Ein Getränk, das wie „B.“ mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert ist, darf auch aus den USA importiert nicht als Bio gekennzeichnet werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta ist damit nicht verletzt.
Damit bestätigte der EuGH, dass das Bio-Logo nur für Produkte genutzt werden darf, die mit den unionsrechtlichen Standards uneingeschränkt übereinstimmen. Abweichungen – auch wenn sie nach nationalem oder ausländischem Recht zulässig sein mögen – schließen die Kennzeichnung als Bio aus.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2025
Gestützt auf die Vorgaben des EuGH wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision von H. endgültig zurück. Die Richter machten deutlich, dass ein Getränk wie „B.“ mit seinen Vitamin- und Mineralstoffzusätzen weder das EU-Bio-Logo noch das deutsche Bio-Siegel tragen darf. Darüber hinaus ist auch ein Hinweis in der Zutatenliste auf die biologische Herkunft einzelner Zutaten unzulässig. Denn ein solcher Hinweis könnte Verbraucher darüber täuschen, ob es sich beim Gesamtprodukt um ein Bio-Lebensmittel handelt.
Besonders hervorzuheben ist, dass das BVerwG die Argumentation der Klägerin, sie werde gegenüber US-Produkten benachteiligt, nicht gelten ließ. Die Luxemburger Richter hatten bereits festgestellt, dass auch importierte Produkte dieselben strengen Maßstäbe erfüllen müssen. Wettbewerbsnachteile bestehen damit nicht.
Hinweis: Bislang liegt nur die Pressemitteilung des BVerwG vor. Die vollständigen Entscheidungsgründe werden erst noch veröffentlicht.
Rechtliche Bewertung und Folgen für die Praxis
Mit der nun endgültigen Entscheidung ist Rechtssicherheit geschaffen. Das Bio-Siegel bleibt ein exklusives Qualitätsversprechen, das streng geschützt ist. Hersteller und Händler müssen damit rechnen, dass unzulässige Kennzeichnungen nicht nur von Behörden untersagt, sondern auch wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden können. Das Urteil stärkt den Verbraucherschutz, indem es verhindert, dass Produkte mit nicht-ökologischen Zusätzen den Markt für Bio-Lebensmittel verwässern.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Hersteller ihre Rezepturen genau prüfen und sicherstellen müssen, dass Zusatzstoffe nur dann enthalten sind, wenn sie zwingend vorgeschrieben sind. Auch die Etikettierung muss entsprechend angepasst werden: Weder das EU-Bio-Logo noch das nationale Bio-Siegel dürfen verwendet werden, wenn das Endprodukt nicht vollständig den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Selbst Angaben in der Zutatenliste, die auf die ökologische Herkunft einzelner Bestandteile hinweisen, sind in solchen Fällen unzulässig, weil sie Verbraucher in die Irre führen könnten.
Auch bei Importprodukten gilt Vorsicht. Selbst wenn Drittstaatenprodukte nach ausländischem Recht als „organic“ vermarktet werden dürfen, bedeutet das nicht automatisch, dass sie in der EU mit dem Bio-Logo versehen werden können. Für die Vermarktung innerhalb der Union gelten allein die europäischen Vorschriften.
Fazit: Strenge Maßstäbe sichern das Vertrauen in das Bio-Siegel
Das Verfahren zeigt deutlich: Wer mit dem EU-Bio-Logo werben möchte, muss die europäischen Vorgaben kompromisslos einhalten. Für Hersteller bedeutet dies eine klare Pflicht zur Compliance-Prüfung der eigenen Rezepturen und Kennzeichnungskonzepte. Schon kleine Abweichungen, wie der Zusatz von nicht-pflanzlichen Vitaminen oder Mineralstoffen, können den Verlust des Bio-Status bedeuten.
Für den Markt bringt das Urteil jedoch eine wichtige Klarstellung. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich darauf verlassen, dass Produkte mit Bio-Siegel tatsächlich die strengen unionsrechtlichen Standards erfüllen. Für Unternehmen empfiehlt es sich, die Rechtsentwicklung aufmerksam zu verfolgen und ihre Produktgestaltung konsequent an den Vorgaben der Verordnung (EU) 2018/848 auszurichten – um Abmahnungen, Vertriebsverbote und Imageschäden zu vermeiden. Dabei können Sie die Experten von AVANTCORE Rechtsanwälte in Stuttgart unterstützen.