Warum dieses Urteil des EuGH zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auch für Deutschland wegweisend ist.
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist in der deutschen Genehmigungspraxis bei großen Bau- und Infrastrukturprojekten längst Standard. Ob Windpark, Industrieanlage, Straßenbau oder Flughafen – ohne Umweltverträglichkeitsprüfung gibt es keine Baugenehmigung. Kernstück jeder UVP ist die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachbehörden. Immer wieder wird jedoch darüber gestritten, wann und wie oft Betroffene und Umweltverbände in das Verfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen werden müssen.
Mit Urteil vom 1. August 2025 (C‑461/24) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwei zentrale Streitfragen entschieden:
- Dürfen Behörden und Öffentlichkeit zeitgleich angehört werden?
- Muss die Öffentlichkeit zwingend noch einmal Stellung nehmen dürfen, nachdem Fachbehörden ihre Berichte vorgelegt haben?
Der EuGH beantwortet beides zugunsten der Genehmigungsbehörden – ein Meilenstein für schnellere, rechtssichere Verwaltungsverfahren auch in Deutschland.
Worum ging es? Streit um die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Genehmigung eines Windparks in Spanien
Ein Umweltverband klagte in Galicien gegen die Genehmigung eines Windparks. Der Vorwurf: Die spanischen Behörden hätten die Öffentlichkeit nicht ausreichend beteiligt. Konkret habe es zwar eine 30-tägige Auslegung des Umweltverträglichkeitsberichts gegeben – aber: Nachdem zahlreiche Fachbehörden (Wasserwirtschaft, Naturschutz, Gesundheit etc.) ihre Stellungnahmen abgegeben hatten, sei die Öffentlichkeit nicht erneut angehört worden.
Das Obergericht Galicien sah hierin einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 UVP-Richtlinie (2011/92/EU), wonach „die wichtigsten Berichte und Empfehlungen“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Es legte dem EuGH daher folgende Fragen vor:
- Umfasst dieser Begriff zwingend auch spätere Fachbehördenberichte?
- Muss die Öffentlichkeit ein zweites Mal Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten?
- Verstoßen nationale Vorschriften ohne zweite Anhörungsrunde gegen EU-Recht?
Die rechtliche Würdigung des EuGH
- Zeitliche Flexibilität bei Konsultationen
Der EuGH betont zunächst, dass Art. 6 UVP-Richtlinie keine feste Reihenfolge vorgibt:
- Behörden (mit umweltbezogenen Zuständigkeiten) und Öffentlichkeit können gleichzeitig angehört werden.
- Mitgliedstaaten haben Spielraum, wie sie das Verfahren organisieren.
- Ein zeitliches Nacheinander ist nicht vorgeschrieben.
- Keine Pflicht zur zweiten Anhörungsrunde
Entscheidend: Das Unionsrecht verlangt nicht, dass die Öffentlichkeit später noch einmal Stellung zu den Behördenberichten nehmen kann.
- Die „wichtigsten Berichte und Empfehlungen“ nach Art. 6 Abs. 3 betreffen primär die Unterlagen, die zum Zeitpunkt der öffentlichen Auslegung vorliegen.
- Spätere Behördenberichte gehören nicht automatisch dazu.
- Eine zweite Stellungnahmephase ist daher nicht zwingend.
- Effektive Beteiligung bleibt gewährleistet
Für eine rechtmäßige Umweltverträglichkeitsprüfung genügt es, wenn:
- Der Projektträger einen vollständigen Umweltverträglichkeitsbericht vorlegt.
- Dieser Bericht frühzeitig öffentlich ausgelegt wird (mindestens 30 Tage).
- Die Öffentlichkeit ausreichend Gelegenheit hat, Meinungen und Bedenken einzubringen, bevor die Genehmigung erteilt wird.
Damit wird der Grundsatz der effektiven Beteiligung (Erwägungsgründe 16–19 UVP-Richtlinie, Aarhus-Konvention) gewahrt.
- Vermeidung von Verfahrensverzögerungen
Der EuGH weist darauf hin, dass eine zweite Anhörungsrunde:
- Genehmigungsverfahren unverhältnismäßig verlängern würde.
- Mit dem Ziel der Richtlinie kollidiert, Entscheidungen effizient und innerhalb angemessener Zeitrahmen zu treffen (Erwägungsgrund 36).
Praktische Bedeutung für deutsche Genehmigungsverfahren
Dieses Urteil wirkt über Spanien hinaus:
- Auch in Deutschland verlangen Umweltverbände oft eine zweite Beteiligung, wenn Behördenberichte erst später erstellt werden.
- Das EuGH-Urteil stellt klar: Eine einmalige, frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung reicht – sofern der UVP-Bericht alle relevanten Informationen enthält.
- Damit sinkt das Risiko, dass Gerichte Genehmigungen wegen angeblich unzureichender Beteiligung kippen.
Vorteile für Projektträger und Behörden
- Rechtssicherheit: Genehmigungen werden weniger anfällig für Anfechtungsklagen.
- Planungssicherheit: Projekte wie Windparks, Straßen oder Industrieanlagen lassen sich schneller umsetzen.
- Verwaltungsökonomie: Behörden sparen Zeit und Ressourcen, weil doppelte Anhörungen entfallen.
Unsere fachanwaltliche Empfehlung
Für Investoren, Projektentwickler und Behörden bedeutet das:
- Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung sollten frühzeitig und umfassend vorbereitet werden.
- Der Umweltverträglichkeitsbericht muss vollständig und qualifiziert sein – dann ist keine zweite Beteiligung nötig.
- Bei laufenden Klagen können Sie sich auf dieses EuGH-Urteil berufen, um Genehmigungen zu verteidigen.
Als Experten für Verwaltungsrecht begleitet Sie AVANTCORE Rechtsanwälte in Stuttgart bundesweit:
- Projektträger bei der rechtssicheren Planung und Durchführung von UVP-Verfahren,
- Genehmigungsbehörden bei der Abwehr von Klagen und
- Investoren bei der gerichtsfesten Realisierung großer Infrastrukturvorhaben.
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