Das VG Karlsruhe hat entschieden, dass eine baurechtliche Nutzungsuntersagung – verbunden mit der Anordnung unmittelbaren Zwangs in Form einer Zwangsräumung – allein auf formelle Illegalität der Nutzung gestützt werden darf.
Mit Beschluss vom 14. Mai 2025 (Az. 14 K 3937/25) hat das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe die sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung eines zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes bestätigt, das ohne die erforderliche Baugenehmigung und unter gravierenden brandschutzrechtlichen Mängeln betrieben wurde. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob eine baurechtliche Nutzungsuntersagung – verbunden mit der Anordnung unmittelbaren Zwangs in Form einer Zwangsräumung – allein auf eine formelle Illegalität der Nutzung gestützt werden darf. Das Gericht bejaht dies: Eine Nutzung, die ohne Baugenehmigung erfolgt, steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften und kann gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 LBO BW untersagt werden. Insbesondere wenn – wie im entschiedenen Fall – zusätzliche materielle Mängel hinzutreten (hier: eklatante Verstöße gegen den Brandschutz), bleibt für eine abweichende Entscheidung kein Raum.
Worum ging es? Langjährige Missstände, ignorierte Bauvorgaben, konkrete Brandgefahr
Der Antragsteller ist Eigentümer eines großflächigen Gebäudes, das ursprünglich für kulturelle Zwecke mit nur einer Wohneinheit genehmigt war. Tatsächlich wurden im Laufe der Jahre ohne Genehmigung 36 Appartements eingerichtet und an bis zu 46 Personen vermietet.
Die Stadt hatte in der Vergangenheit mehrfach bauordnungsrechtliche Verfügungen erlassen. Bereits 2017 wurden Nutzungsuntersagungen und Duldungsverfügungen bestandskräftig. Dennoch hielt der Eigentümer an der Nutzung fest. Nach einem Feueralarm im Februar 2025 kam es zu einer intensiven Baukontrolle. Dabei stellte die Behörde massive Mängel fest:
- fehlende oder blockierte Rettungswege,
- ungeschützte Tragkonstruktionen,
- funktionsuntüchtige Brandmeldeanlagen,
- abgeklebte Rauchmelder,
- unsachgemäße Elektroinstallationen,
- ungesicherte Oberlichter auf dem Dach.
Diese Gefährdungen führten am 21. März 2025 zur Allgemeinverfügung, mit der die Nutzung untersagt, die sofortige Vollziehung angeordnet und die Zwangsräumung angedroht wurde. Dagegen wehrte sich der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht.
Die rechtlichen Erwägungen des VG Karlsruhe
- Rechtsgrundlage: § 65 Abs. 1 Satz 2 LBO BW
Das Gericht bestätigt, dass eine Nutzung untersagt werden kann, wenn sie im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Dies sei hier bereits wegen der fehlenden Baugenehmigung der Fall (formelle Illegalität).
Die Besonderheit: Das VG betont ausdrücklich, dass eine formell illegale Nutzung regelmäßig die Nutzungsuntersagung rechtfertigt – selbst wenn (noch) keine materiellen Verstöße vorliegen oder geklärt sind.
- Keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit
Zwar darf eine Nutzungsuntersagung nicht willkürlich erfolgen. Voraussetzung ist, dass die Genehmigungsfähigkeit der Nutzung nicht auf der Hand liegt – das sei hier eindeutig nicht der Fall, da die illegale Nutzung mit schwerwiegenden brandschutzrechtlichen Verstößen verbunden war.
- Zulässigkeit der Allgemeinverfügung
Die Behörde durfte sich wegen des ständig wechselnden Bewohnerkreises für eine generell-konkrete Allgemeinverfügung entscheiden (§ 35 Satz 2 LVwVfG BW). Die individuelle Ermittlung aller Bewohner war untunlich.
- Keine Ermessensfehler, keine Unverhältnismäßigkeit
Die Maßnahme war auch unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtmäßig. Angesichts konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit sowie der Untätigkeit des Eigentümers sei der Rückgriff auf eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung samt Zwangsräumung geboten gewesen.
Ein milderes Mittel – etwa die erneute Androhung eines Zwangsgelds – sei untauglich, da der Eigentümer sich über frühere Maßnahmen hinweggesetzt habe. Die Behörde durfte nach § 26 Abs. 2 LVwVG unmittelbaren Zwang androhen und anwenden.
Fazit und rechtliche Bewertung
Die Entscheidung verdeutlicht, dass formelle Baurechtsverstöße nicht als Bagatelle zu werten sind. Die Behörden sind nicht verpflichtet, abzuwarten, bis tatsächliche Gefahren eintreten. Schon formelle Illegalität durch den Bruch der Genehmigungspflicht – insbesondere bei sensiblen Nutzungen wie Wohnraum – stellt ein ernstzunehmendes Rechtsproblem dar. Wenn sich zusätzlich konkrete Gefahrenquellen wie Brandschutzmängel zeigen, ist eine behördliche Reaktion unumgänglich – selbst wenn sie tief in Eigentums- und Persönlichkeitsrechte eingreift.
Was kann formelle Illegalität für Eigentümer und Vermieter bedeuten?
Die Entscheidung ist ein deutliches Signal: Wer ohne Genehmigung bauliche Nutzungen einführt – gerade im Wohnbereich – riskiert nicht nur Untersagungsverfügungen, sondern auch Zwangsräumungen ohne weiteren Aufschub.
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