Das VG Düsseldorf hat mit Urteil vom 07.05.2025 (Az. 16 K 6623/22) über Zulässigkeitsvoraussetzungen und den Mindestabstand zu Wettbüros entschieden.
Was gilt grundsätzlich für den Mindestabstand zu Wettbüros?
Die Zulässigkeit des Betriebs von Wettvermittlungsstellen (rechtlich unpräzise auch „Wettbüros“ genannt) ist in Nordrhein-Westfalen – wie auch in anderen Bundesländern – strikt reguliert.
Nach § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW ist grundsätzlich ein Mindestabstand zu Wettbüros von 350 Metern zu öffentlichen Schulen sowie zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einzuhalten. Für sogenannte Bestandswettvermittlungsstellen, die bereits am 22. Mai 2019 bestanden und über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügen, reduziert sich dieser Abstand auf 100 Meter (§ 13 Abs. 15 Satz 2 AG GlüStV NRW). Die Regelung dient dem Jugendschutz und Spielerschutz und ist Ausfluss des gesetzgeberischen Ziels, Anreizwirkungen auf junge Menschen sowie eine übermäßige Verfügbarkeit von Wettangeboten im öffentlichen Raum zu vermeiden.
Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vermittlung von Sportwetten ist gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 i.V.m. § 13 AG GlüStV NRW die Erteilung einer Erlaubnis, die sowohl den Wettveranstalter als auch den konkreten Vermittlungsstandort betrifft. Die Erlaubniserteilung kann zudem durch Nebenbestimmungen näher ausgestaltet werden, sofern die gesetzlichen Vorgaben Raum hierfür lassen.
Worum ging es im konkreten Fall?
Die Klägerinnen – eine in Deutschland konzessionierte Sportwettenveranstalterin und eine Wettvermittlerin – beantragten im Jahr 2020 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer bereits seit 2017 betriebenen Wettvermittlungsstelle in L. Diese befand sich lediglich 39,5 Meter Luftlinie von der offenen Kinderfreizeiteinrichtung „F.-G.-Haus“ entfernt, die in evangelischer Trägerschaft steht und regelmäßig von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren aufgesucht wird.
Die Bezirksregierung lehnte den Antrag ab, da der reduzierte Mindestabstand zu Wettbüros von 100 Metern für Bestandswettvermittlungsstellen unterschritten werde. Eine Ausnahme sei nicht angezeigt, insbesondere fehle es an atypischen Umständen, die eine Abweichung vom Mindestabstand zu Wettbüros rechtfertigen könnten. Auch mildere Mittel wie Auflagen zur Schaufenstergestaltung seien mangels gesetzlicher Grundlage nicht statthaft.
Die Klägerinnen hielten dem entgegen, das F.-G.-Haus sei wegen seiner kirchlichen Trägerschaft keine öffentliche Einrichtung, der Schutzbereich der Vorschrift erfasse keine Kinder unter 12 Jahren, und jedenfalls bestehe Vertrauensschutz wegen der früheren Baugenehmigung.
Rechtliche Erwägungen des VG Düsseldorf
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 07.05.2025 (Az. 16 K 6623/22) in vollem Umfang ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Versagung:
1. Anwendbarkeit der Mindestabstandsregelung
Das Gericht stellte klar, dass § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW auch auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in kirchlicher Trägerschaft Anwendung findet. Entscheidend sei nicht die Trägerschaft, sondern die regelmäßige Nutzung durch Kinder und Jugendliche. Das F.-G.-Haus falle somit eindeutig unter den Anwendungsbereich.
2. Keine Abweichung vom Mindestabstand
Zwar eröffnet § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse Abweichungen zuzulassen. Dies komme aber nur in atypischen Fällen in Betracht. Solche Umstände – wie etwa Geländehindernisse, städtebauliche Besonderheiten oder nur minimale Unterschreitungen – seien nicht gegeben. Die Unterschreitung um über 60 Meter sei im Gegenteil erheblich.
3. Unzulässigkeit von Auflagen als milderes Mittel
Das VG stellte klar, dass das gesetzlich normierte Mindestabstandsgebot durch die Möglichkeit der Erteilung von Auflagen nicht unterlaufen werden darf. § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW sei insofern als lex specialis abschließend und lasse keine Ausnahme durch bloße Auflagen zu.
4. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Weiter stellte das Gericht fest, dass die Regelung weder verfassungswidrig noch unionsrechtswidrig sei:
- Art. 12 GG (Berufsfreiheit): Die Einschränkung sei durch den legitimen Zweck des Kinder- und Jugendschutzes gerechtfertigt.
- Art. 49 und 56 AEUV (Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit): Die Regelung sei verhältnismäßig und nicht diskriminierend.
- Vertrauensschutz: Selbst für Bestandswettvermittlungsstellen sei ein reduzierter Abstand von 100 Metern vorgesehen. Weitergehender Schutz bestehe nicht. Der Gesetzgeber habe schon 2012 klargestellt, dass eine dauerhafte Duldung der alten Praxis nicht zu erwarten sei.
Was ist zu tun?
Unternehmen, die eine Wettvermittlungsstelle betreiben oder planen, müssen den Mindestabstand zu Wettbüros einhalten und sollten Folgendes beachten:
- Standortanalyse: Bereits im Vorfeld eines Antrags ist eine präzise Prüfung der Umgebung (insbesondere Abstände zu Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen) unerlässlich. Die Abstände sind nach Luftlinie zu berechnen, bei Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen ab Grundstücksgrenze.
- Keine Ausnahmeregelung durch Auflagen: Auch eine aufwendige Außengestaltung oder Werbebeschränkungen ändern in der Regel nichts an der Unzulässigkeit bei Unterschreitung der Mindestabstände.
- Bestandsstandorte: Für vor dem 22. Mai 2019 genehmigte und betriebene Standorte besteht lediglich ein eingeschränkter Übergangsschutz – mit reduziertem Abstand von 100 Metern.
- Verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Angriffe gegen die Mindestabstandsregelung sind aktuell nicht erfolgversprechend, da die Rechtsprechung von deren Zulässigkeit überzeugt ist.
Fazit:
Die Entscheidung stärkt die restriktive Linie der Rechtsprechung in Bezug auf die Standortwahl von Wettvermittlungsstellen. Betreiber sollten Standortentscheidungen mit größter Sorgfalt und rechtlicher Begleitung treffen. Für bestehende Standorte empfehlen wir, die Einhaltung der Abstandsregelungen frühzeitig rechtlich zu überprüfen, um unnötige Investitionen oder Erlaubnisversagungen zu vermeiden.
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