Gemeinden dürfen Wasserzähler ohne gültige Eichung nicht nutzen, um Gebührenbescheide für den Wasserverbrauch zu erlassen. Wenn es um kommunale Gebührenbescheide für den Wasserverbrauch geht, ist der Wasserzähler das Herzstück jeder Abrechnung. Doch was geschieht, wenn das Messgerät längst nicht mehr geeicht ist? Darf die Kommune die angezeigten Werte trotzdem verwenden – vielleicht wenigstens als Anhaltspunkt für eine Schätzung? Mit dieser Frage hat sich das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im August 2025 (Urteil vom 19.08.2025 -15 K 2823/21) auseinandergesetzt und eine klare Antwort gegeben: Ohne gültige Eichung ist der Zählerwert wertlos. Weder eine Abrechnung noch eine Schätzung darf auf einer solchen Grundlage erfolgen.

Der Fall: Von der Horrorabrechnung zur Teilaufhebung

ungeeichter Wasserzähler ohne Eichung Gebührenbescheid Im zugrunde liegenden Verfahren stritt ein Grundstückseigentümer gegen einen Gebührenbescheid seiner Kommune. Der Wasserzähler des Anwesens war bereits im Jahr 2012 eingebaut worden. Nach der einschlägigen Mess- und Eichverordnung beträgt die Eichfrist für Wasserzähler sechs Jahre – sie war also spätestens Ende 2018 abgelaufen. Gleichwohl wurde der Zähler weiterhin genutzt. In den Jahren 2019 und 2020 kam es außerdem zu einem Leitungsbruch, der einen erheblichen Mehrverbrauch verursachte. Auf dieser Basis setzte die Kommune im Januar 2021 Frischwassergebühren in Höhe von rund 41.900 € fest. Der Eigentümer wehrte sich gegen die Forderung und argumentierte, dass der Bescheid auf Messwerten eines nicht mehr geeichten Geräts beruhe. Die Stadt entgegnete, eine nachträgliche Befundprüfung habe ergeben, dass der Zähler technisch korrekt funktioniert habe. Deshalb sei es zulässig, die Werte zumindest zur Schätzung des Verbrauchs heranzuziehen.

Die Entscheidung: Ohne Eichung keine Rechtsgrundlage, um den Wasserzähler zu verwenden

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sah das anders. Es stellte zunächst klar, dass nach § 18 Abs. 1 AVBWasserV nur Messgeräte eingesetzt werden dürfen, die den eichrechtlichen Vorschriften entsprechen. Ergänzend regeln §§ 31 und 37 MessEG, dass ungeeichte Geräte im geschäftlichen Verkehr schlicht nicht verwendet werden dürfen. Diese Verbote greifen auch im Kommunalabgabenrecht, das über § 12 KAG NRW an die Abgabenordnung angebunden ist. Besonders deutlich wurde das Gericht bei der Frage, ob ungeeichte Zählerwerte wenigstens als Grundlage für eine Schätzung nach § 162 AO taugen. Die Antwort lautete: Nein. Wer ungeeichte Werte für eine Schätzung nutzt, umgeht das gesetzliche Verwendungsverbot. Damit wären die Schätzergebnisse ebenso rechtswidrig wie die direkte Übernahme der Werte.

Befundprüfung heilt nicht

Die Kommune hatte sich auf eine nachträgliche Befundprüfung berufen, die ergeben hatte, dass der Wasserzähler im Prüfzeitpunkt innerhalb der Toleranzen misst. Doch auch darauf ließ sich das Gericht nicht ein. Eine Befundprüfung könne zwar Aussagen über die aktuelle Funktionstüchtigkeit treffen, aber keine rückwirkende Eichung ersetzen. Die gesetzliche Eichpflicht diene gerade dem Schutz der Gebührenpflichtigen und könne nicht durch spätere Untersuchungen unterlaufen werden.

Schätzung nur auf zulässiger Grundlage

Grundsätzlich dürfen Gebührenbehörden nach § 162 AO schätzen, wenn keine verlässlichen Daten vorliegen. Aber: Die Schätzung muss auf einer rechtlich tragfähigen und wirtschaftlich plausiblen Grundlage beruhen. Zulässig sind etwa Vorjahresverbräuche oder Durchschnittswerte aus vergleichbaren Haushalten. Der Rückgriff auf die Ablesungen eines ungeeichten Zählers ist hingegen unzulässig. Da die Kommune diese Vorgaben nicht beachtet hatte, blieb von der Forderung am Ende nur ein Bruchteil übrig: Nach dem Austausch des Zählers im November 2020 konnten noch 53 Kubikmeter Wasser zu 1,58 € pro Kubikmeter abgerechnet werden. Hinzu kam die jährliche Grundgebühr. Alles andere war rechtswidrig und wurde aufgehoben.

Consequences for practice

Die Entscheidung des VG Gelsenkirchen hat erhebliche Signalwirkung. Sie verdeutlicht, dass Kommunen gut beraten sind, ihre Eichfristen konsequent zu überwachen. Wer versäumt, alte Wasserzähler rechtzeitig auszutauschen, riskiert hohe Einnahmeausfälle und unter Umständen sogar ordnungsrechtliche Konsequenzen. Denn die Verwendung ungeeichter Geräte ist nach dem MessEG eine Ordnungswidrigkeit, die mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden kann. Für Gebührenpflichtige bietet das Urteil dagegen wertvolle Ansatzpunkte. Wer einen hohen Gebührenbescheid erhält, sollte unbedingt prüfen (lassen), ob der zugrunde liegende Wasserzähler im maßgeblichen Zeitraum noch gültig geeicht war. Ist das nicht der Fall, bestehen sehr gute Chancen, den Bescheid erfolgreich anzugreifen.

Unsere Empfehlung

Für Kommunen: Führen Sie ein lückenloses Eichmanagement ein. Sorgen Sie für rechtzeitige Zählerwechsel, dokumentieren Sie alle Vorgänge sauber und passen Sie Ihre Satzungen an, damit Schätzungen ausschließlich auf zulässigen Grundlagen erfolgen. Für Gebührenpflichtige: Prüfen Sie hohe Wassergebührenbescheide kritisch. Ein ungeeichter Zähler ist ein massives Argument gegen die Rechtmäßigkeit der Abrechnung. Im Zweifel sollten Sie durch einen Anwalt Widerspruch einlegen lassen – die Chancen auf eine erhebliche Reduzierung der Forderung stehen gut. Conclusion: Das Urteil des VG Gelsenkirchen zeigt einmal mehr, dass das Mess- und Eichrecht im Kommunalabgabenrecht nicht bloß Formalie, sondern von zentraler Bedeutung ist. Wer sich darauf beruft, kann erfolgreich hohe Forderungen abwehren. Kommunen hingegen müssen ihre Prozesse dringend nachschärfen, wenn sie nicht riskieren wollen, dass erhebliche Einnahmen auf der Strecke bleiben. Dabei können die Experten im Administrative law von AVANTCORE RECHTSANWÄLTE in Stuttgart Sie rechtlich unterstützen.