Medizinprodukterecht

Das Medizinprodukterecht regelt die Herstellung, das Marktzugangsverfahren, den Vertrieb und die Überwachung von Medizinprodukten. Medizinprodukte sind alle Instrumente, Apparate, Geräte, Software, Implantate, Reagenzien, Materialien oder andere Gegenstände, die vom Hersteller dazu bestimmt sind, zur medizinischen Diagnose, Behandlung oder Überwachung von Krankheiten, zur  Untersuchung physiologischer Zustände oder zur In-vitro-Untersuchung von

menschlichem Probenmaterial verwendet zu werden. Für Medizinprodukte ist charakteristisch, dass sie ihr bestimmungsgemäße Hauptwirkung am oder im menschlichen Körper nicht durch pharmakologische oder immunologische Mittel oder metabolisch erreichen. Nach Maßgabe diese Kriterien sind Medizinprodukte von Arzneimitteln, Biozidprodukten, Kosmetika und Lebensmitteln abzugrenzen, was bei sog. Borderline-Produkten komplex ist.  

In Deutschland wird das Medizinprodukterecht vor allem durch das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) geregelt, welches die Vorschriften zur Durchführung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (Verordnung (EU) 2017/745 – MDR) und der EU-Verordnung zu In-vitro Diagnostika (Verordnung (EU) 2017/746 – IVDR) enthält. Die IVDR enthält ähnliche Anforderungen wie die MDR, jedoch sind diese spezifisch auf In-vitro-Diagnostika zugeschnitten. 

Die europäischen Anforderungen an die Medizinprodukte-Vigilanz werden durch die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV) ergänzt. Die Vorschriften zum Betrieb von Medizinprodukten, die nicht Gegenstand des Unionsrechts sind, sind in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) enthalten. 

Zentrale Bereiche des Medizinprodukterechts: 

  1. Konformitätsbewertung: Die MDR enthält Regeln, nach denen Medizinprodukte klassifiziert werden. Die Klasse eines Medizinprodukts ist wiederum ausschlaggebend dafür, welches Konformitätsbewertungsverfahren vom Hersteller durchzuführen ist, um die Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachzuweisen. Das Verfahren ist je nach Klasse des Medizinprodukts unter Einbindung einer Benannten Stelle (Notified Body) durchzuführen, die eine Konformitätsbescheinigung erstellt. Der Nachweis der Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen ist Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung des Medizinprodukts, die prinzipiell (mit der Ausnahme von Sonderanfertigungen und Prüfprodukten) für dessen Inverkehrbringen erforderlich ist. Mit der EU-Konformitätserklärung übernimmt der Hersteller die Verantwortung dafür, dass das Medizinprodukt den Anforderungen der MDR entspricht. 
  2. Klinische Bewertung: Der Nachweis der Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen umfasst auch eine klinische Bewertung, mit der nachgewiesen wird, dass das Produkt sicher ist und die in Anspruch genommene klinische Leistung erbringt. Bei implantierbaren Produkten und Medizinprodukten der Klasse III sind grundsätzliche klinische Prüfungen als Teil der Konformitätsbewertung durchzuführen. Das MPDG enthält hierfür und für Leistungsstudien zu IVD sowie für klinische Prüfungen, die nicht zwecks Konformitätsbewertung durchgeführt werden, ergänzende Regelungen. 
  3. Verantwortlichkeiten der Wirtschaftsakteure: Zur Gewährleistung der Einhaltung der Anforderungen des Medizinprodukterechts sind die am Inverkehrbringen von Medizinprodukten und deren Bereitstellung auf dem Markt beteiligten Wirtschaftsakteure (Hersteller, bevollmächtigte Vertreter, Importeure, Händler, System-Produzenten) jeweils spezifischen Pflichten unterworfen. 
    • Hersteller müssen gewährleisten, dass ihre Produkte gemäß den Anforderungen der MDR ausgelegt und hergestellt sind. Sie haben dokumentiert ein Risikomanagement- und Qualitätsmanagementsystem zu betreiben und eine technische Dokumentation zu ihrem Medizinprodukt, die die Konformitätsbewertung ermöglicht, zu verfassen und auf dem aktuellen Stand zu halten. Sie haben gemäß dem UDI-System für ihre Produkte eine eindeutige Produktidentifikation (Unique Device Identifier – UDI) vorzunehmen und ihre Produkte in der UDI-Datenbank zu registrieren. Außerdem müssen Hersteller bei Abweichungen von den Anforderungen der MDR die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergreifen. Hersteller, die nicht in der EU niedergelassen sind, müssen in der Union einen einzigen Bevollmächtigten (EC Representative) benennen und mit einem schriftlichen Mandat beauftragen, bestimmte Pflichten zu den vom Mandat erfassten Medizinprodukten zu erfüllen. 
    • Wer ein Medizinprodukt aus einem Drittland in der Union in Verkehr bringt, ist als Importeur dafür verantwortlich, dass dieses der MDR entspricht und muss die Übereinstimmung des Produkts mit den Anforderungen der MDR überprüfen (Vorliegen einer CE-Kennzeichnung und EU-Konformitätserklärung, Hersteller ist bekannt und hat Bevollmächtigten benannt, Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung liegen vor, Hersteller hat UDI vergeben; Überprüfung und Ergänzung des Herstellereintrags in der UDI-Datenbank). Außerdem ist der Importeur auf dem Produkt oder seiner Verpackung anzugeben. Er ist zudem verpflichtet sicherzustellen, dass die Transport- und Lagerbedingungen den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen entsprechen und er hat Pflichten in Bezug auf das Beschwerdemanagement. Er hat eine Kopie der EU-Konformitätserklärung des Herstellers sowie ggf. der Konformitätsbescheinigung der Benannten Stelle bereitzuhalten. 
    • Der Händler ist in der Lieferkette dem Hersteller oder Importeur nachgelagert und stellt das Medizinprodukt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereit. Auch ich treffen abgestuft bestimmte Pflichten, um die Einhaltung von MDR-Vorgaben zu überprüfen. 
  1. Betrieb und Aufbereitung von Medizinprodukten: Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) regelt, adressiert an den Betreiber bzw. Anwender, den sicheren Betrieb, die Instandhaltung und Aufbereitung von Medizinprodukten. Dies umfasst unter anderem die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs durch geschultes Personal, den Betrieb und die Anwendung nach der Zweckbestimmung des Produkts, die Aufbereitung von wiederzuverwendenden Produkten mit validierten Verfahren, wobei eine Einhaltung der Vorgaben der Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch Institut (RKI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – KRINKO – dazu führt, dass eine ordnungsgemäße Aufbereitung vermutet wird. 
  2. Werbung für Medizinprodukte: Die Bewerbung von Medizinprodukten unterliegt den strengen Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Insbesondere darf Werbung nur dann erfolgen, wenn sie wissenschaftlich hinreichend abgesichert ist und nicht im Widerspruch zu öffentlichen Gesundheitsinteressen steht, die die Zulässigkeit der Werbung beschränken. Dabei gelten für die Werbung gegenüber Laien und Fachkreisangehörigen (beispielsweise Ärzte) differenzierte Anforderungen. 


Das Medizinprodukterecht ist eng mit anderen Rechtsgebieten wie dem
Medizinrecht, dem Datenschutzrecht, dem Produkthaftungsrecht und dem Wettbewerbsrecht verzahnt. Es schützt die Öffentliche Gesundheit vor dem Inverkehrbringen und dem Vertrieb von unsicheren und den Leistungsanforderungen nicht genügenden Medizinprodukten und regelt im Interesse der Patientensicherheit auch den Betrieb von Medizinprodukten.