Irreführung durch Greenwashing mit “Apfelleder”: Wettbewerbsrechtlicher Drahtseilakt im Onlinehandel
Vegane Materialien, Nachhaltigkeit und Innovation – in Zeiten des umweltbewussten Konsums nutzen viele Unternehmen kreative Begriffe, um ihre Produkte attraktiv zu vermarkten. Doch wo hört Marketing auf und wo beginnt die wettbewerbswidrige Irreführung? Diese Frage steht im Zentrum einer aktuellen und wegweisenden Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 04.07.2025 – 6 U 51/25), das sich mit der Bezeichnung „Apfelleder“ für Hundehalsbänder auseinandersetzte.
Die Richter stellten klar: Wer ein Produkt aus Kunststoff vertreibt, darf es nicht als „Apfelleder“ bewerben, wenn dadurch beim Verbraucher der Eindruck entsteht, es handele sich – auch nur teilweise – um echtes Leder. Das Urteil beleuchtet die Grenzen kreativer Werbesprache und ist für Anbieter von (vermeintlich) nachhaltigen Produkten von großer Bedeutung.
Der rechtliche Hintergrund: Irreführende geschäftliche Handlungen gem. § 5 UWG
Nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, insbesondere wenn über wesentliche Merkmale der Ware – etwa die stoffliche Beschaffenheit – falsche oder missverständliche Angaben gemacht werden. Dabei kommt es nicht auf den subjektiven Willen des Werbenden, sondern auf die objektive Verkehrsauffassung des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers an.
Auch die Werbung mit Materialien, die mit dem Begriff „Leder“ kombiniert werden (z. B. „Textilleder“, „Kunstleder“, „Rhabarberleder“), steht dabei nicht selten im Fokus der Gerichte. Entscheidend ist stets, ob der angesprochene Verkehr über die Beschaffenheit, Qualität oder Herkunft der beworbenen Ware in die Irre geführt werden kann.
Der Fall vor dem OLG Köln: Hundehalsbänder aus PVC und Apfeltrester
Die Antragsgegnerin – ein bekannter Anbieter von Hundezubehör – vertrieb auf ihrer Website unter der prominent hervorgehobenen Bezeichnung „Apfelleder“ Hundehalsbänder und Leinen. Diese waren jedoch vollständig aus Kunststoff gefertigt, lediglich unter Zusatz von Apfelresten der Fruchtsaftproduktion. Erst in einem aufklappbaren Abschnitt der Produktbeschreibung wurde erwähnt, dass es sich um ein veganes Material handelt.
Ein Branchenverband der lederverarbeitenden Industrie mahnte die Werbung als irreführend ab und beantragte schließlich eine einstweilige Verfügung. Während das LG Köln den Antrag in erster Instanz ablehnte, gab das OLG Köln dem Verband in der Berufung vollumfänglich recht.
Die rechtliche Bewertung: Warum „Apfelleder“ die Verbraucher täuscht
- Verbrauchererwartung an den Begriff „Leder“
Nach gefestigter Rechtsprechung wird unter dem Begriff „Leder“ im allgemeinen Sprachgebrauch ein Naturprodukt tierischen Ursprungs verstanden – unabhängig davon, ob es gegerbt, gefärbt oder weiterverarbeitet ist. Auch zusammengesetzte Begriffe wie „Wildleder“, „Nappaleder“ oder „Spaltleder“ suggerieren weiterhin ein tierisches Grundmaterial.
Die Bezeichnung „Apfelleder“ suggeriert daher nach Ansicht des Gerichts ebenfalls, dass Leder – möglicherweise mit einem pflanzlichen Zusatz – verarbeitet wurde. Der Zusatz „Apfel“ wird nicht als Hinweis auf eine lederfreie Alternative verstanden, sondern als beschreibende Angabe zu einer besonderen Art des Leders.
- Keine Aufklärung im Blickfang – versteckte Hinweise reichen nicht
Das OLG Köln stellte ausdrücklich fest, dass ein versteckter Hinweis auf die vegane Zusammensetzung im Abschnitt „Produktbeschreibung“ nicht geeignet ist, die irreführende Wirkung des Blickfangs „Apfelleder“ aufzuheben. Der Begriff wurde ohne erläuternden Zusatz auf der Produktübersichts- und Produktdetailseite verwendet.
Eine wirksame Aufklärung hätte – so das Gericht – unmittelbar im Blickfang erfolgen müssen. Wer auf plakative Begriffe wie „Apfelleder“ setzt, muss auch auf derselben Ebene offenlegen, dass es sich um kein tierisches Leder handelt. Eine Korrektur „im Kleingedruckten“ reicht nicht aus.
- Geschäftsrelevanz der Irreführung
Die Angabe „Apfelleder“ ist geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu verleiten, die sie sonst nicht getroffen hätten. Die Richter betonen dabei, dass es genügt, wenn der Verbraucher sich – auf Basis der Fehlvorstellung – näher mit dem Produkt beschäftigt oder es in den Warenkorb legt. Ein tatsächlicher Kauf ist nicht erforderlich.
Auch die Optik (z. B. blaue Farbe des Halsbandes) oder Fantasiebezeichnungen wie „Hexa“ änderten nichts an der irreführenden Wirkung – zumal der schwarze Verschluss eine klassische Lederoptik aufwies.
- Irreführung trotz Branchenüblichkeit
Selbst wenn Begriffe wie „Apfelleder“ mittlerweile im Markt kursieren, schützt das den Verwender nicht vor einer Irreführungsprüfung. Die Richter lehnten ausdrücklich den Verweis der Antragsgegnerin auf Google-Ergebnisse oder Branchenartikel ab. Maßgeblich ist allein, wie ein relevanter Teil der Verbraucher den Begriff versteht.
Fazit und Handlungsempfehlung für Anbieter: Irreführungsvermeidung durch klare Kommunikation – wo Leder draufsteht muss auch Leder drin sein!
Das Urteil des OLG Köln schafft Klarheit für Anbieter von veganen, nachhaltigen oder innovativen Materialien: Wer mit dem Begriff „Leder“ wirbt, muss auch Leder liefern – oder eindeutig klarstellen, dass es sich um ein lederfreies Imitat handelt.
Unsere Handlungsempfehlung:
- Vermeiden Sie irreführende Begriffe wie „Apfelleder“, „Fruchtleder“ oder „veganes Leder“, wenn nicht unmittelbar erläutert wird, dass kein echtes Leder enthalten ist.
- Kombinieren Sie auffällige Begriffe stets mit einem klaren, unmissverständlichen Hinweis im Blickfang, z. B. „veganes Lederimitat aus Apfeltrester“.
- Prüfen Sie Ihre Werbetexte und Produktbezeichnungen regelmäßig auf Irreführungspotenzial, insbesondere bei Materialien, die optisch oder begrifflich an klassische Naturstoffe erinnern.
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