Gemeinden können Schäden an der Kanalisation, die durch Bauarbeiten verursacht wurden, direkt aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis geltend machen. The Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 23. September 2025 (Az. 6 LA 138/24) einen wichtigen Grundsatz zur Haftung bei Schäden an der öffentlichen Kanalisation bestätigt. Es ging um die Frage, ob ein Grundstückseigentümer für Schäden haftet, die durch die Einleitung von Beton während eines Bauprojekts in den öffentlichen Schmutzwasserkanal entstanden waren. Die Entscheidung verdeutlicht, wie weitreichend die Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis sind und dass Gemeinden ihre Ansprüche auf Schadensersatz unmittelbar auf dieser Grundlage geltend machen können.

Der rechtliche Rahmen: Öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis statt Vertrag

Das Verhältnis zwischen Gemeinde und Grundstückseigentümer bei der Nutzung der öffentlichen Abwasserbeseitigung ist rechtlich besonders ausgestaltet. Anders als im Zivilrecht entsteht es nicht durch Vertragsschluss nach §§ 145 ff. BGB, sondern durch die gemeindliche Satzung. Mit der Bereitstellung einer öffentlichen Abwasseranlage tritt die Gemeinde in ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis mit den Grundstückseigentümern, die angeschlossen sind oder ein Anschlussrecht haben. Dieses Benutzungsverhältnis ist zwar durch die Satzung einseitig bestimmt, wird in der Rechtsprechung aber als vertragsähnlich bezeichnet. Damit können für Pflichtverletzungen die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB analog herangezogen werden. Das bedeutet: Wer gegen seine Pflichten aus der Abwassersatzung verstößt und dadurch einen Schaden verursacht, muss der Gemeinde Schadensersatz leisten.

Darum ging es: Beton blockiert den Schmutzwasserkanal

Benutzungsverhältnis Kanalisation SchadensersatzIm entschiedenen Fall war der Beklagte Eigentümer eines Grundstücks in Neumünster, das an die städtische Abwasserkanalisation angeschlossen war. Nachdem ein Altbau auf dem Grundstück abgebrannt war, ließ er dort ein neues Wohnhaus mit Garage errichten. Die Bauarbeiten wurden von einer Baufirma durchgeführt. Im September 2015 stellte die Stadt fest, dass der Schmutzwasserhauptkanal vor dem Grundstück des Beklagten nahezu vollständig mit ausgehärtetem Beton gefüllt war. Der Querschnitt des Kanals war um 90 Prozent reduziert, was eine Nutzung praktisch unmöglich machte. Die Gemeinde beauftragte ein Spezialunternehmen mit der Beseitigung des Schadens und stellte dem Grundstückseigentümer die Reparaturkosten in Höhe von 8.960,26 Euro in Rechnung. Dieser weigerte sich zu zahlen, sodass die Gemeinde Klage beim Verwaltungsgericht erhob – mit Erfolg.

Die rechtlichen Erwägungen des Gerichts

Das Verwaltungsgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Das OVG Schleswig-Holstein bestätigte diese Entscheidung, indem es den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückwies. Damit ist das Urteil rechtskräftig. Das Gericht führte aus, dass das Benutzungsverhältnis bereits mit dem Anschlussrecht nach der Abwassersatzung entstanden sei. Es komme nicht darauf an, ob tatsächlich schon Abwasser von dem Grundstück abgeleitet wurde. Entscheidend sei, dass die Satzung der Gemeinde festlege, wann ein Grundstückseigentümer als Benutzer der Abwasseranlage anzusehen sei. Die Argumentation des Beklagten, wonach ein Benutzungsverhältnis erst mit der tatsächlichen Nutzung oder aufgrund eines vertraglichen Konsenses entstehe, wies das Gericht zurück. Gerade im Bereich der öffentlichen Abwasserbeseitigung sei es nicht erforderlich, dass sich die Beteiligten wie im Privatrecht durch Willenserklärungen binden. Vielmehr entscheide die Gemeinde als Trägerin der Einrichtung hoheitlich durch Satzung, wer Benutzer ist und welche Pflichten damit verbunden sind. Ein zentrales Argument war zudem, dass die Pflicht, keine schädlichen Stoffe wie Öl, Chemikalien oder Beton in die Kanalisation einzuleiten, unmittelbar aus der Satzung folge. Diese Pflichtverletzung habe der Beklagte zu vertreten, da sie im Zusammenhang mit Bauarbeiten auf seinem Grundstück stand. Der Schadensersatzanspruch in Höhe der Reparaturkosten sei daher begründet.

Bedeutung der Entscheidung und Empfehlung für die Praxis

Die Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein stärkt die Rechtsposition der Gemeinden erheblich. Sie können Kosten für Schäden an der Kanalisation unmittelbar auf Grundlage des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses geltend machen, ohne auf komplizierte vertragliche Konstruktionen angewiesen zu sein. Für Kommunen bedeutet dies Rechtssicherheit: Sobald ein Grundstück angeschlossen ist oder ein Anschlussrecht besteht, können Schadensersatzansprüche im Falle einer Pflichtverletzung durchgesetzt werden. Für Grundstückseigentümer und Bauherren ist die Entscheidung ein deutliches Warnsignal. Schon der formale Anschluss an die Kanalisation zieht umfangreiche Pflichten nach sich. Werden bei Bauarbeiten Stoffe wie Beton, Öl oder andere schädliche Materialien in die öffentliche Kanalisation eingebracht, drohen erhebliche finanzielle Konsequenzen. Es genügt nicht, sich auf die beauftragte Bauleitung oder ausführende Firmen zu verlassen; letztlich bleibt der Eigentümer in der Verantwortung.
Fazit und Empfehlung
Gemeinden sollten ihre Abwassersatzungen klar strukturieren und die Pflichten deutlich hervorheben, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Grundstückseigentümer und Bauunternehmer wiederum müssen Bauprojekte eng überwachen und technische Vorkehrungen treffen, damit keine Fremdstoffe in die Kanalisation gelangen. Ein Versäumnis kann – wie im vorliegenden Fall – schnell zu Schadensersatzforderungen führen. Wenden Sie sich frühzeitig an die Experten im Verwaltungsrecht von AVANTCORE RECHTSANWÄLTE in Stuttgart, damit wir Ihnen helfen können, derartige Auseinandersetzungen zu vermeiden.