Der Bundesgerichtshof hat am 28.01.2025 entschieden, dass der bloße Erhalt einer ungewollten Werbe-E-Mail ohne konkrete Beeinträchtigung keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO begründet. Trotz DSGVO-Verstoß fehlte es für den Kläger an der nötigen Darlegung eines tatsächlich erlittenen Schadens.

Für welchen Verstoß wurde Schadensersatz nach der DSGVO gefordert?

Der BGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob der Erhalt einer einzigen unerwünschten Werbe-E-Mail einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO auslösen kann. Ausgangspunkt des Verfahrens war eine E-Mail, die der Beklagte, ein Händler, dem Kläger im März 2020 während der Corona-Pandemie ohne dessen Einwilligung zugesandt hatte. Der Kläger, der 2019 beim Beklagten Briefkastenaufkleber mit der Aufschrift „Betteln und Hausieren verboten“ erworben hatte, widersprach der Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken ausdrücklich und verlangte neben Unterlassung auch ein “Schmerzensgeld” in Höhe von 500 €.

Während der Beklagte den Unterlassungsanspruch anerkannte, blieb der Streit über den Schadensersatz bestehen. Das Amtsgericht und das Berufungsgericht hatten den Zahlungsantrag abgelehnt. Mit der Revision verfolgte der Kläger diesen weiter.

DSGVO Schadensersatz Schmerzensgeld E-Mail

Der BGH bestätigte die vorinstanzlichen Entscheidungen: Zwar stellte das Gericht einen Verstoß gegen die DSGVO fest, da der Beklagte die E-Mail-Adresse des Klägers ohne rechtliche Grundlage verarbeitet hatte. Jedoch reiche ein solcher Verstoß allein nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Nach Art. 82 DSGVO sei der Eintritt eines konkreten Schadens erforderlich – sei es materiell oder immateriell.

Weder konnte der Kläger einen tatsächlichen Kontrollverlust über seine Daten beweisen, noch war seine bloße Sorge um einen möglichen Missbrauch ausreichend. Das Gericht betonte, dass selbst ein kurzzeitiger Kontrollverlust zwar theoretisch einen Schaden darstellen kann, dieser jedoch konkret dargelegt werden müsse. Die pauschale Behauptung eines “unguten Gefühls” und der Aufwand, sich mit dem Vorfall zu beschäftigen, genügten nicht. Auch die fehlende Reaktion des Beklagten auf den Widerspruch sah der BGH nicht als Schaden an, sondern allenfalls als vertiefende, nicht aber begründende Umstände.

Wichtig: Der BGH erteilte der bislang in Teilen der Rechtsprechung vertretenen Ansicht, es müsse eine “Bagatellgrenze” überschritten werden, um einen Schadensersatzanspruch auszulösen, eine klare Absage. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es nicht auf die Erheblichkeit des Schadens an – wohl aber darauf, dass ein Schaden überhaupt substantiiert dargelegt wird.

Fazit und Auswirkungen für die Rechtspraxis

Das Urteil stärkt die rechtliche Klarheit bei der Geltendmachung von immateriellem Schadensersatz nach der DSGVO. Der BGH folgt der Linie des EuGH, wonach keine Erheblichkeitsschwelle für immaterielle Schäden existiert. Dennoch wird durch das Urteil unterstrichen, dass die Darlegungspflicht des Klägers entscheidend bleibt.

Für Betroffene bedeutet dies, dass sie bei Datenschutzverstößen mehr leisten müssen als nur den Verstoß zu dokumentieren – sie müssen konkret und nachvollziehbar beschreiben, wie dieser Verstoß sie negativ beeinflusst hat. Ein reines Unwohlsein, allgemeine Verunsicherung oder der Aufwand, eine Werbe-E-Mail zu beantworten, reichen nicht aus, um Entschädigungsansprüche zu rechtfertigen.

Für Unternehmen hingegen schafft das Urteil eine gewisse Rechtssicherheit: Nicht jede unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten zieht automatisch einen Schadensersatzanspruch nach sich. Es bleibt bei einer differenzierten Betrachtung, bei der auch Bagatellverstöße nicht ersatzpflichtig sind, sofern kein konkreter Schaden dargelegt wird.

Es bleibt zu hoffen, dass sich das Urteil disziplinierend auf Datenschutzklagen auswirkt und eine inflationäre Ausweitung von Schmerzensgeldansprüchen bei geringfügigen Verstößen verhindert. Es fordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Auswirkungen von Datenschutzverletzungen – sowohl auf Seiten der Gerichte als auch der Betroffenen.

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