Denkmalrecht schützt mit dem Brutalismus nicht nur Schönes – sondern Aussagekräftiges
Das Verwaltungsgericht Münster (Urteil vom 9. Oktober 2025 – 2 K 316/25) hat eine wegweisende Entscheidung zum Denkmalrecht in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus getroffen: Ein brutalistisches Studentenwohnheim aus den 1970er-Jahren darf in die Denkmalliste eingetragen werden.
Damit stellt das Gericht klar: Denkmalschutzrecht ist kein Schönheitswettbewerb. Es schützt nicht nur Fachwerk, Gründerzeit und Klassizismus, sondern auch die Architektur der Nachkriegsmoderne, sofern diese gesellschaftliche oder städtebauliche Entwicklungen dokumentiert. Betonbauten, die oft als unansehnlich gelten, können kulturhistorisch ebenso bedeutsam sein wie barocke Fassaden.
Rechtlich beruht die Entscheidung auf § 2 Abs. 1 DSchG NRW: Denkmäler sind Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Dieses öffentliche Interesse kann sich aus wissenschaftlichen, künstlerischen, volkskundlichen oder städtebaulichen Gründen ergeben. Maßgeblich ist nicht, ob ein Gebäude jedem Betrachter gefällt, sondern ob es etwas über seine Zeit, seine Gesellschaft oder seine Bauweise erzählt.
Das Urteil des VG Münster verdeutlicht:
Der Denkmalschutz hat längst die Nachkriegsarchitektur erreicht. Gebäude aus Beton, Stahl und Glas sind Zeugnisse einer Zeit des Aufbruchs, der Massenbildung und der funktionalen Stadtplanung. Auch wenn viele brutalistische Bauwerke heute polarisieren, erfüllen sie oft genau das, was das Denkmalschutzgesetz verlangt – sie erzählen Geschichte.
Das Gericht ordnet sich damit in eine Linie jüngerer Rechtsprechung ein, die den Denkmalwert auch junger Architektur anerkennt, solange sie städtebaulich, gesellschaftlich oder architektonisch repräsentativ ist.
Für Eigentümer bedeutet das: Auch unscheinbare Gebäude können unter Denkmalschutz stehen – mit erheblichen Folgen für Planung, Sanierung und Nutzung.
Westfälischer Brutalismus: Ein Stück Beton mit Geschichte
Der Kläger war Eigentümer eines dreigeschossigen Appartementhauses aus Sichtbeton in der Altstadt von J. – ursprünglich als Wohnanlage für Studierende errichtet. Das Gebäude war Ende der 1960er-Jahre nach Plänen des renommierten Architekten Prof. H. L., einem Vertreter des westfälischen Brutalismus, entworfen und 1975 fertiggestellt worden. Es gilt als frühes Beispiel für das städtebauliche Konzept „Urbanität durch Dichte“, also verdichtetes Wohnen auf engem innerstädtischen Raum. Als die Stadt das Objekt 2025 in ihre Denkmalliste eintrug, klagte der Eigentümer. Er argumentierte, das Haus sei kein Werk des genannten Architekten, sondern von einem anderen Büro errichtet worden. Außerdem sei die Bausubstanz stark beschädigt, der Beton sanierungsbedürftig und die Instandsetzung mit über 1,8 Mio. € wirtschaftlich unzumutbar. Das Gebäude sei „ein gewöhnliches Appartementhaus“ ohne architektonischen oder geschichtlichen Wert. Die Stadt und das Denkmalamt sahen das anders: Das Haus zeige exemplarisch den Übergang der Universitätsstadt J. zur Massenuniversität der 1970er-Jahre, die Entstehung neuer Wohnformen für Studierende und die charakteristische Architektur des Brutalismus – roh, ehrlich, funktional.Die rechtliche Bewertung des VG Münster
Das Gericht wies die Klage ab und bestätigte die Eintragung in die Denkmalliste als rechtmäßig. Die Begründung zeigt, wie differenziert die Denkmalwürdigkeit moderner Architektur heute geprüft wird.- Bedeutung für Städte und Siedlungen (§ 2 Abs. 1 S. 2 DSchG NRW)
- Wissenschaftliche und volkskundliche Gründe
- Erhaltungszustand und Zumutbarkeit
Das Urteil des VG Münster verdeutlicht:
Der Denkmalschutz hat längst die Nachkriegsarchitektur erreicht. Gebäude aus Beton, Stahl und Glas sind Zeugnisse einer Zeit des Aufbruchs, der Massenbildung und der funktionalen Stadtplanung. Auch wenn viele brutalistische Bauwerke heute polarisieren, erfüllen sie oft genau das, was das Denkmalschutzgesetz verlangt – sie erzählen Geschichte.
Das Gericht ordnet sich damit in eine Linie jüngerer Rechtsprechung ein, die den Denkmalwert auch junger Architektur anerkennt, solange sie städtebaulich, gesellschaftlich oder architektonisch repräsentativ ist.
Für Eigentümer bedeutet das: Auch unscheinbare Gebäude können unter Denkmalschutz stehen – mit erheblichen Folgen für Planung, Sanierung und Nutzung.
Unsere Empfehlung
Eigentümer, die ein Gebäude aus den 1950er bis 1980er Jahren besitzen, sollten vor jeder Umbaumaßnahme oder Bauvoranfrage prüfen lassen, ob das Objekt denkmalwürdig sein könnte. Gerade bei Gebäuden der Nachkriegszeit (Brutalismus, Funktionalismus, Nachkriegsmoderne) steigt das Interesse der Denkmalpflege deutlich. AVANTCORE RECHTSANWÄLTE in Stuttgart berät Sie bundesweit im Denkmalrecht, insbesondere bei:- Anfechtung oder Verteidigung von Eintragungen in die Denkmalliste
- Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren nach dem Denkmalschutzgesetz NRW
- Abstimmung von Sanierungs- und Modernisierungsvorhaben
- wirtschaftlicher Zumutbarkeit und Fördermöglichkeiten