Automatenkioske dürfen in NRW auch sonntags geöffnet bleiben.
Worum geht’s?
Dürfen Automatenkioske (Räume mit mehreren Warenautomaten) an Sonn- und Feiertagen offenstehen – oder gelten sie als Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes NRW (LÖG NRW)? Genau dazu hat das VG Köln am 18. Juni 2025 entschieden (1 K 5563/24): Warenautomaten fallen (auch im Kiosk-Verbund) nicht unter das LÖG NRW; ein pauschales Sonntagsverbot ist rechtswidrig. Das Gericht schließt sich damit der Linie des OVG NRW aus dem vorangegangenen Eilverfahren (4 B 976/24) an. Blick über NRW hinaus: Die Entscheidung erwähnt ausdrücklich Vorverfahren und Literatur aus anderen Ländern (u. a. Baden-Württemberg, Hamburg, Bayern, Niedersachsen, Hessen) – mit überwiegend gleicher Tendenz zugunsten des Automatenbetriebs ohne Personal. Zugleich verweist sie auf gesetzgeberische Neuerungen in Hessen und Schleswig-Holstein zu „digitalen Kleinstsupermärkten“: Es besteht offenbar politischer Regelungsbedarf, der – anders als in NRW – bereits aufgegriffen wurde.
Genauer: Das war der streitige Sachverhalt
Ein Betreiber stellt 15 Warenautomaten mit jeweils 40–50 Artikeln in einem Ladenlokal auf, wirbt außen mit „24/7 geöffnet“. Kein Verkaufspersonal an Sonn- und Feiertagen. Die Stadt untersagt den Verkauf an Sonn-/Feiertagen (sowie am 24. Dezember ab 14 Uhr) und droht Zwangsgeld an; zusätzlich verfügt sie Alkohol-Entfernung und ein Alkohol-Verkaufsverbot über Automaten. Prozessverlauf: Das VG lehnt den Eilrechtsschutz zunächst ab; das OVG NRW stellt am 12. Februar 2025 die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her. In der Hauptsache hebt das VG Ziff. 1 (Sonntagsverbot) and Ziff. 5 (Zwangsgeldandrohung) der Ordnungsverfügung auf. Zur Alkohol-Thematik enthält der Tenor keine Aufhebung.Die Entscheidung – die wesentlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts
1. Anwendungsbereich des LÖG NRW Nach §§ 2, 3 LÖG NRW gilt das Gesetz für Verkaufsstellen und das gewerbliche Anbieten außerhalb von Verkaufsstellen. Warenautomaten sind dort nicht erwähnt; die Definition übernimmt im Kern die frühere Bundeslage – ohne den Begriff „Warenautomaten“. Der Landesgesetzgeber wollte damit not hinter den bereits erreichten Rechtszustand zurückfallen. 2. Historische Auslegung: Warenautomaten sind traditionell ausgenommen Bereits das BVerfG (1962) stellte klar, dass die Einbeziehung selbständiger Warenautomaten in Ladenschlussregeln berufsfreiheitswidrig ist; 1996 und 2003 wurde dies gesetzestechnisch nachvollzogen (Streichung des Begriffs „Warenautomaten“ und der Sondernorm). Konsequenz: Warenautomaten wurden bewusst aus dem Ladenschlussrecht herausgenommen – ohne Einschränkung nach Anzahl oder Aufstellort. 3. „Automatenkioske“ bleiben Automatenbetrieb – keine Verkaufsstelle kraft Kumulation Dass 15 Automaten in einem Raum stehen, macht daraus keine Verkaufsstelle i. S. d. LÖG NRW. Für jeden Kauf ist eine separate Automatenbedienung nötig; Personal kommt nicht zum Einsatz. Das Schließen des Raums an Sonn- und Feiertagen würde den Zugang zu zulässigen Automaten unzulässig vereiteln. 4. Verfassungsrechtliche Leitplanken: Sonn-/Feiertagsschutz ja – aber zweckgerecht Der Sonn- und Feiertagsschutz (Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV) bleibt bedeutsam. Ohne Arbeitnehmereinsatz und ohne „verkaufstypische“ Betriebsamkeit greift er jedoch not durch, wie das BVerfG (u. a. 2009) angelegt hat. Erforderlichenfalls ist es Sache des Gesetzgebers, neue Formen ausdrücklich zu regulieren. 5. Bestimmtheitsgebot bei Bußgeldtatbeständen Weil Verstöße gegen das LÖG NRW bußgeldbewehrt sind (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW), verlangt Art. 103 Abs. 2 GG eine klare gesetzliche Grundlage. Eine bloße Auslegung („Außenwahrnehmbarkeit“, Sortiment, „werktägliche Betriebsamkeit“) genügt not, um Automatenkioske unter das LÖG NRW zu ziehen. Wenn der Gesetzgeber die Einordnung ändern will, braucht es eine explizite Normkorrektur. 6. Einordnung im Ländervergleich und Rechtsprechung Die Entscheidung reiht sich in eine nahezu einhellige Linie ein (u. a. VGH BW, VG Freiburg, VG Hamburg, VG Augsburg, VG Osnabrück). Gleichzeitig zeigen Hessen and Schleswig-Holstein mit neuen Regeln für „digitale Kleinstsupermärkte“, dass politische Antworten möglich sind – nur eben nicht durch behördliche Auslegung ohne Gesetzesgrundlage.Bedeutung für die Praxis
Für Betreiber von Automatenkiosken – nicht nur in NRW
- 24/7-Betrieb ohne Personal ist derzeit grundsätzlich zulässig, auch an Sonn-/Feiertagen - sofern es sich tatsächlich um Warenautomaten handelt und kein Arbeitnehmereinsatz stattfindet.
- Formalia & Auftritt: The Außenwirkung („schaut aus wie ein Laden“) allein begründet keine Verkaufsstelle. Gleichwohl sollten Werbeaussagen („24/7“) und Raumgestaltung nicht den Eindruck eines bemannten Betriebs erzeugen.
- Alkohol & Sonderwaren: Im entschiedenen Fall wurden die Alkohol-Anordnungen nicht aufgehoben; zu prüfen sind daher separat lebensmittel-/steuer-/jugendschutzrechtliche Vorgaben.
- Compliance-Check: Zu dokumentieren sind Personal-/Befüllzeiten (ArbZG), Video-/Jugendschutz-Mechanismen bei sensiblen Waren und klare Bedienungsabläufe je Automat. (Systematische Einordnung durch das Urteil s. o.)
Für Kommunen und Ordnungsämter
- Eingriffe (Untersagung, Bußgeld) gegen Automatenkioske allein mit Verweis auf §§ 2–4 LÖG NRW sind rechtlich angreifbar, solange der Gesetzgeber keine Klarstellung vornimmt.
- Vorgehen bündeln: Wo Sicherheits-, Jugendschutz-, Abfall- oder Verkehrsprobleme bestehen, sind spezialgesetzliche Instrumente zielgenauer als eine Ausdehnung des LÖG NRW per Auslegung.
Fazit & Empfehlung
Kurzfazit: Das VG Köln stärkt die Rechtssicherheit für Automatenkioske in NRW. Warenautomaten ≠ Verkaufsstelle – auch nicht in der Summe. Bußgelder and pauschale Sonntagsverbote nach LÖG NRW haben ohne klare Gesetzesgrundlage keinen Bestand. Die Rechtskraft des Urteils ist noch offen.Unsere Empfehlung für Betreiber
- Status-Check: Konzept, Beschilderung, Personal-/Befüllorganisation auditieren; keine verkaufsstellenähnlichen Service-Elemente am Sonntag.
- Dokumentation: Prozesse (Befüllung nur werktags/außerhalb Sonntagsruhe), Jugendschutz/Alkohol-Compliance belegen.
- Standort-Abstimmung: Vorab-Dialog mit der Kommune – De-Eskalation und Rechtssicherheit.
- Monitoring: Gesetzesvorhaben in NRW im Blick behalten; Anpassungs-Szenarien vorbereiten.
Unsere Empfehlung für Kommunen
- Maßnahmen gezielt auf Sicherheits-/Jugendschutz-/Gastro-/Steuerrecht stützen; kein Ersatzrecht via LÖG NRW-Auslegung. Vor Erlass: Prüfvermerk zum Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) erstellen.