Erneute Entscheidung des VG Düsseldorf über Zulässigkeitsvoraussetzungen und den Mindestabstand zu einer Wettvermittlungsstelle
Glücksspielregulierung zwischen Freiheit und Gemeinwohl
Die Regulierung des Glücksspielmarktes in Deutschland ist seit Jahren ein juristisch wie politisch heiß diskutiertes Thema. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021) haben Bund und Länder ein einheitliches Regelungsregime geschaffen, das sowohl den Spielerschutz als auch die Kanalisierung des Glücksspielmarktes verfolgt. Zentrales Anliegen ist es, die Bevölkerung – insbesondere Kinder und Jugendliche – vor den Gefahren der Glücksspielsucht zu schützen und gleichzeitig legale Angebote zu ermöglichen.
Ein wesentliches Instrument dieser Regulierung sind die Mindestabstandsregelungen: Sie begrenzen die Dichte von Wettvermittlungsstellen im öffentlichen Raum und sollen verhindern, dass Spielanreize an jeder Straßenecke entstehen. Gerade in Nordrhein-Westfalen wurde mit § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW ein klarer Rahmen gesetzt: Zwischen einzelnen Wettvermittlungsstellen muss ein Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie bestehen. Ob diese Regelung verfassungs- und unionsrechtlich haltbar ist, stand im Zentrum des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 21.08.2025 – 16 K 1182/22).
Worum ging es? Wettbüro in Konkurrenzlage
Geklagt hatten eine maltesische Sportwettenveranstalterin mit bundesweiter Lizenz und ihre deutsche Vermittlerin. Sie wollten in R. eine Wettvermittlungsstelle eröffnen. Der Standort lag allerdings nur 80,4 Meter von einer bereits erlaubten Wettvermittlungsstelle entfernt.
Hinzu kam: Für den Standort existierte keine bestandskräftige Baugenehmigung als Wettbüro zum maßgeblichen Stichtag 22. Mai 2019. Damit konnte sich die Klägerin nicht auf die Übergangs- und Bestandsschutzregelung des § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW berufen.
Die Bezirksregierung lehnte die beantragte Erlaubnis ab – sowohl wegen der Abstandsunterschreitung als auch wegen fehlender Unterlagen im Antragsverfahren. Parallel erhielt der Konkurrent bereits eine Erlaubnis für den benachbarten Standort. Die Klägerinnen rügten eine Verletzung ihrer Grundrechte, einen Verstoß gegen Unionsrecht und verwiesen auf die angebliche Inkohärenz der Regulierung, da Onlinewetten oder Pferdewetten ohne Abstandsgebote möglich seien.
Die Entscheidung – Klageabweisung durch das VG Düsseldorf
Das Verwaltungsgericht wies die Klage vollumfänglich ab. Die Kernaussagen:
1. Gesetzliche Grundlage und Anwendbarkeit
Die Erlaubnispflicht für Wettvermittlungsstellen ergibt sich aus § 21a GlüStV 2021 i.V.m. § 13 AG GlüStV NRW. Da es sich um eine Verpflichtungsklage handelte, war auf die aktuelle Rechtslage abzustellen. Somit war die 2021 eingeführte Mindestabstandsregel anwendbar.
2. Keine Bestandsschutz, kein Vertrauensschutz
Die Klägerinnen konnten sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Anders als bei Spielhallen, bei denen das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsregelung gefordert hatte, bestand für Wettvermittlungsstellen keine vergleichbare Ausgangslage. Ohne bestandskräftige Baugenehmigung zum Stichtag 22.05.2019 greift § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW nicht.
Das Gericht betonte, dass Betreibern von Wettbüros bewusst sein musste, dass ihr Geschäftsfeld mittelfristig einem strengeren Regulierungsregime unterliegen würde.
3. Prioritätsprinzip bei konkurrierenden Anträgen
Bei einer Abstandskollision gilt grundsätzlich § 13 Abs. 14 AG GlüStV NRW: Nur wenn konkurrierende Anträge im selben Kalendermonat vollständig eingehen, ist eine Auswahlentscheidung erforderlich. Da der konkurrierende Antrag bereits im Juli 2021 vollständig war, während der Antrag der Klägerin noch lückenhaft blieb, durfte die Behörde nach dem Prioritätsprinzip entscheiden.
Das heißt: Wer zuerst vollständig einreicht, hat Vorrang – eine klare Ansage für die Praxis.
4. Mindestabstandsregelung verfassungsgemäß und unionsrechtskonform
Besonders hervorzuheben ist die grundsätzliche Bestätigung der Abstandsregelung:
- Verfassungsrechtlich: Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sind durch das überragende Gemeinwohlziel der Suchtprävention gerechtfertigt.
- Unionsrechtlich: Weder die Niederlassungsfreiheit noch die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49, 56 AEUV sind verletzt. Der EuGH gesteht den Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum zu, solange die Regulierung kohärent ist.
- Inkohärenz-Einwand: Dass Onlinewetten oder Pferdewetten anders reguliert sind, stellt die Verhältnismäßigkeit nicht infrage. Eine völlige Gleichbehandlung aller Glücksspielarten fordert das Unionsrecht nicht.
5. Keine Ausnahme im Einzelfall
Das Gericht prüfte, ob ausnahmsweise nach § 13 Abs. 13 Satz 4 AG GlüStV NRW eine Abweichung möglich gewesen wäre. Da es weder städtebauliche Besonderheiten noch nur eine minimale Unterschreitung gab (80,4 m = rund 20 % Unterschreitung), bestand kein Ermessensfehler der Behörde. Die restriktive Handhabung ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt.
Bedeutung für die Praxis – Was Betreiber und Kommunen jetzt wissen müssen
Das Urteil des VG Düsseldorf setzt ein deutliches Signal für die Praxis der Glücksspielregulierung in Nordrhein-Westfalen:
- Strenge Anwendung der 100-Meter-Regel: Betreiber von Wettbüros müssen Standorte sorgfältig prüfen. Schon geringe Unterschreitungen führen zur Unzulässigkeit.
- Kein „Herausverhandeln“ von Ausnahmen: Ausnahmefälle bleiben nun einmal die absolute Ausnahme und erfordern nachweislich atypische städtebauliche Umstände.
- Prioritätsprinzip beachten: Wer zuerst vollständige Unterlagen einreicht, hat die besseren Chancen. Investoren sollten daher frühzeitig alle Dokumente (insbesondere zu Geschäftsführern, Bauunterlagen, Außengestaltung) bereithalten.
- Kommunen erhalten durch das Urteil eine klare Bestätigung, dass sie Mindestabstände konsequent durchsetzen dürfen, ohne unions- oder verfassungsrechtliche Risiken fürchten zu müssen.
Fazit – Rechtssicherheit und Klarheit für den Markt
Mit der Entscheidung des VG Düsseldorf ist die 100-Meter-Abstandsregel für Wettvermittlungsstellen in NRW eindeutig bestätigt worden. Weder Verfassungs- noch Unionsrecht stehen ihr entgegen. Für Betreiber bedeutet das: Standortwahl mit Augenmaß and schnelle, vollständige Anträge sind entscheidend. Für die Glücksspielaufsicht bietet das Urteil Rückenwind bei der Durchsetzung der Regulierung. Bei rechtlichem Beratungsbedarf, insbesondere zur Antragstellung, Standortprüfung oder gerichtlichen Durchsetzung von Rechten, stehen Ihnen die verwaltungsrechtlichen Experten von AVANTCORE RECHTSANWÄLTE in Stuttgart as a specialized law firm for Administrative law gern zur Verfügung.
Einen weiteren Artikel zum Thema Mindestabstand zu Wettvermittlungsstellen finden Sie hier:
Minimum distance to betting shops in NRW stringently decided by the VG Düsseldorf on 07.05.2025