Das OVG Lüneburg hat die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Erhaltungsfestsetzung im Bebauungsplan – nicht nur – für Gehölze präzisiert.

Hintergrund: Was regelt § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB?

Das Baugesetzbuch (BauGB) ermöglicht es Gemeinden, im Bebauungsplan Flächen für Bepflanzungen sowie den Erhalt von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen festzusetzen. Diese sogenannten Erhaltungsfestsetzungen dienen dem Schutz ökologisch wertvoller Gehölze, der Sicherung des Ortsbildes und nicht zuletzt dem Klima- und Artenschutz. Streit besteht in der Praxis jedoch häufig darüber, wie bestimmt eine solche Festsetzung sein muss. Muss jede einzelne Pflanze aufgeführt sein – oder genügt die zeichnerische Festlegung einer Fläche im Bebauungsplan? Genau mit dieser Frage befasste sich nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg in einem aktuellen Beschluss vom 2. September 2025 (Az. 1 LA 30/25).

Der Sachverhalt: Zufahrt über geschützte Gehölzfläche

Erhaltungsfestsetzung Bebauungsplan BestimmtheitDie Klägerin war Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Nach der erteilten Baugenehmigung sollte die Grundstückszufahrt von Westen erfolgen. Die Eigentümerin entschied sich jedoch, eigenmächtig eine neue Zufahrt über ein angrenzendes Flurstück anzulegen. Dieses Flurstück war im Bebauungsplan als „Fläche mit Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen“ festgesetzt. Die Bauaufsichtsbehörde ordnete den Rückbau der Zufahrt an. Die Klägerin wehrte sich gegen diese Verfügung – sowohl im Widerspruchsverfahren als auch vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück, blieb dort aber erfolglos. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem OVG Lüneburg hatte keinen Erfolg.

Die rechtlichen Erwägungen des OVG Lüneburg

Bestimmtheit von Erhaltungsfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB

Zentrale Frage war, ob die Erhaltungsfestsetzung im Bebauungsplan hinreichend bestimmt war. Der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz gilt auch im Bauplanungsrecht. Bebauungspläne müssen daher so formuliert und dargestellt sein, dass Grundstückseigentümer und Behörden den Regelungsgehalt eindeutig erkennen können. Nur wenn klar ist, welche Flächen wie genutzt oder geschützt werden dürfen, können Betroffene ihr Verhalten daran ausrichten. Dabei bedeutet Bestimmtheit nicht, dass jede Einzelheit – etwa jeder einzelne Baum – detailliert aufgeführt werden muss. Es genügt, wenn sich der Inhalt der Festsetzung mit den üblichen Auslegungsmitteln (Planzeichnung, Begründung, ergänzende Unterlagen) eindeutig erschließen lässt. Gerade bei Erhaltungsfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB reicht es daher aus, wenn eine Fläche im Bebauungsplan klar umgrenzt ist und aus der Begründung hervorgeht, welche Art von Bewuchs geschützt werden soll. Das hat das OVG Lüneburg ausdrücklich bekräftigt:
  • Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass Adressaten einer Norm erkennen können, welche Vorgaben gelten.
  • Bei einer flächenhaften Festsetzung ist es ausreichend, wenn aus Planunterlagen und Planbegründung hervorgeht, dass „wertvolle Gehölzbestände“ geschützt werden sollen.
  • Eine Individualisierung jedes einzelnen Baumes ist nicht erforderlich. Selbst wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, genügt es, dass eine davon vorzugswürdig ist.
Verstoß gegen materielles Baurecht Die Zufahrt der Klägerin verstieß gleich mehrfach gegen materielles Baurecht:
  • Widerspruch zur Erhaltungsfestsetzung im Bebauungsplan, die eine Versiegelung oder bauliche Nutzung der Fläche ausschloss.
  • Verstoß gegen § 4 Abs. 4 Satz 1 NBauO, da die Zufahrt über mehrere Baugrundstücke führte.
Verhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung Das OVG Lüneburg hielt die Beseitigungsanordnung für verhältnismäßig:
  • Die Klägerin habe bewusst von der genehmigten Erschließung abgewichen und eine Zufahrt in einer geschützten Fläche errichtet.
  • Ihr finanzielles Interesse an der Beibehaltung sei nicht schutzwürdig.
  • Mildere Mittel, wie etwa eine bloße Geldzahlung, seien ungeeignet, da nur der Rückbau den Wurzelbereich der geschützten Bäume entlaste und den Bebauungsplan wiederherstelle.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit von Gemeinden und Bauaufsichtsbehörden:
  • Für Gemeinden: Erhaltungsfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB sind auch dann wirksam, wenn sie flächenhaft durch eine Umrisszeichnung im Bebauungsplan erfolgen. Eine detaillierte Einzelbaumerfassung ist nicht zwingend erforderlich.
  • Für Grundstückseigentümer: Wer eigenmächtig Zufahrten oder andere bauliche Anlagen in solchen Flächen errichtet, riskiert Rückbauverfügungen. Eine Berufung auf Unklarheiten der Festsetzung hat in der Regel keine Aussicht auf Erfolg.

Handlungsempfehlung für Grundstückseigentümer und Gemeinden

Grundstückseigentümer sollten vor jeder baulichen Maßnahme sorgfältig die Bebauungspläne prüfen und sich rechtlich beraten lassen. Eigenmächtige Abweichungen von genehmigten Erschließungen können teuer werden. Gemeinden sollten bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ihre Begründung so ausgestalten, dass klar erkennbar ist, welche Gehölzbestände geschützt werden sollen. Zusätzliche Bestandspläne und Bewertungspläne sind zwar nicht erforderlich, können aber als wertvolle Auslegungshilfe dienen. Bei Fragen stehen Ihnen die Experten für Verwaltungsrecht von AVANTCORE Rechtsanwälte in Stuttgart für die rechtliche Beratung und ggf. Vertretung zur Verfügung.