Die Außengastronomie sorgt immer wieder für Streit zwischen Betreibern und Anwohnern. Mit einem aktuellen Urteil hat das Verwaltungsgericht Regensburg die Nutzung eines Freisitzes gestoppt – wegen fehlender Bestimmtheit und unzureichendem Lärmschutz.
Mit
Beschluss vom 5. August 2025 (Az. RO 5 S 25.962) hat das Verwaltungsgericht Regensburg die aufschiebende Wirkung einer Klage eines Anwohners gegen eine Gaststättenerlaubnis teilweise wiederhergestellt. Im Mittelpunkt stand eine Freifläche (Freisitz) unmittelbar vor dem Wohnhaus des Antragstellers. Das Gericht entschied: Der Innenbereich der Gaststätte bleibt zulässig, der Betrieb des Freisitzes muss jedoch vorerst ruhen. Die Begründung berührt zentrale Fragen des Gaststättenrechts, insbesondere den Lärmschutz, den Nachbarschutz und das Bestimmtheitsgebot.
Rechtsgrundlage des Nachbarschutzes ist
§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Gaststättengesetz (GastG), wonach die Erlaubnis zu versagen ist, wenn schädliche Umwelteinwirkungen oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit zu befürchten sind. Diese Norm schützt ausdrücklich auch unmittelbare Nachbarn. Hinzu kommt das verwaltungsrechtliche Bestimmtheitsgebot, in diesem Fall normiert in Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG: Verwaltungsakte müssen so klar gefasst sein, dass der zulässige Nutzungsumfang eindeutig erkennbar ist und behördlich kontrolliert werden kann. Besonders bei Außengastronomie in Wohngebieten müssen zudem planungsrechtliche Vorgaben (§§ 30, 34 BauGB, BauNVO) beachtet werden.
Worum ging es genau? Freisitz wenige Zentimeter vor Wohn- und Schlafzimmerfenstern
Der Beigeladene hatte Ende 2024 eine unbefristete Gaststättenerlaubnis für eine Schank- und Speisewirtschaft beantragt und erhalten.

Bestandteil war auch eine Freifläche im Außenbereich. Weder der Grundrissplan noch das Raumverzeichnis enthielten jedoch genaue Maßangaben zu Länge, Breite oder exakter Lage dieser Fläche. Die Sitzgelegenheiten befanden sich nach Darstellung des Antragstellers teilweise nur wenige Zentimeter vor dessen Wohn- und Schlafzimmerfenstern. Er machte massive Lärmbelästigungen durch Gespräche, Alkoholkonsum und teilweise Musik geltend, kritisierte fehlende Abstandsflächen und die nicht vorhandene Lärmprognose. Auch das zu geringe Stellplatzangebot und das regelmäßige Zuparken von Gehwegen und Zufahrten wurden beanstandet.
Die Entscheidung des Gerichts: Differenzierung zwischen Innen- und Außenbereich
Das Verwaltungsgericht trennte deutlich zwischen dem Innenbereich der Gaststätte und der Außengastronomie. Für den Innenbereich liege eine gültige Baugenehmigung aus dem Jahr 1969 vor, die Bindungswirkung im Gaststättenverfahren entfalte. Der Bestandsschutz sei nicht erloschen und die Nutzung sei im faktischen allgemeinen Wohngebiet planungsrechtlich zulässig.
Anders beurteilte das Gericht den Freisitz. Dieser war in der alten Baugenehmigung nicht enthalten und daher eigenständig zu prüfen. Die Erlaubnis sei insoweit voraussichtlich rechtswidrig, weil es an der erforderlichen Bestimmtheit fehle. Ohne genaue Maßangaben könne nicht kontrolliert werden, ob die Nutzung im genehmigten Rahmen bleibt, und auch der Nachbarschutz könne so nicht effektiv gewährleistet werden. Zudem habe die Behörde keine belastbare Lärmprognose erstellt. Auflagen wie ein Betriebsende um 22 Uhr oder das Verbot von Außenlautsprechern seien angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft zu Wohnräumen unzureichend. Im allgemeinen Wohngebiet bestehe ein erhöhtes Ruhebedürfnis, das auch tagsüber zu berücksichtigen sei.
Praktische Konsequenzen für Betreiber und Nachbarn
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Außengastronomieflächen in Gaststättenerlaubnissen präzise beschrieben werden müssen. Lage, Größe und Nutzungsumfang sind eindeutig festzuhalten. Betreiber sollten darüber hinaus frühzeitig eine fachgerechte Lärmprognose vorlegen, um Konflikte mit Anwohnern zu vermeiden. Nachbarn wiederum können sich auf den drittschützenden Charakter des § 4 GastG berufen, wenn sie unzumutbaren Immissionen ausgesetzt sind. Formelle Mängel wie eine unbestimmte Erlaubnis können bereits ausreichen, um den Betrieb einer Außengastronomie gerichtlich zu stoppen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Entscheidung des VG Regensburg zeigt, wie wichtig eine präzise und rechtssichere Gestaltung von Gaststättenerlaubnissen ist. Betreiber sollten die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots ernst nehmen und auch verfahrensfreie baurechtliche Flächen gaststättenrechtlich sauber definieren. Anwohner haben gute Chancen, sich erfolgreich gegen unzumutbare Belästigungen zu wehren, wenn die Erlaubnis formell oder materiell fehlerhaft ist.
Wenn Sie als Gastwirt eine Außengastronomie planen oder als Nachbar von Lärm und sonstigen Störungen betroffen sind, sollten Sie frühzeitig fachanwaltlichen Rat einholen. Unsere
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